Krankenhäuser sind regelrechte Schatzkammern – ein Umstand, der Betreibern und Mitarbeitenden nicht unbedingt bewusst ist. Denn die Schätze, die sich hier heben lassen, sind Wertstoffe, die tagtäglich auf die eine oder andere Weise im Abfall landen. Das muss aber nicht zwangsläufig das Ende dieser Stoffe bedeuten, denn wie sie entsorgt werden und was danach mit ihnen passiert, liegt maßgeblich in der Hand – und ebenso in der Verantwortung – der Krankenhäuser selbst. Das Potenzial zur stofflichen Verwertung ist in den meisten Fällen groß. Damit nur ein minimaler Teil dieser wertvollen Rohstoffe und potentiellen Sekundärrohstoffe Abfallverbrennungsanlagen oder Deponien überlassen werden muss, bedarf es eines organisierten Abfall- bzw. Stoffstrommanagements. Notwendige Grundlage dafür bilden Abfallkonzepte. Wir schauen uns an, worum es dabei geht und wie diese entwickelt werden.
In Kliniken fallen jeden Tag Abfälle in enormen Mengen, vielfältigsten Formen und an sehr unterschiedlichen Orten an. Ihre Masse allein ist schier gewaltig: Sieben bis acht Tonnen Abfall produziert ein Krankenhaus pro Tag. Je Patientin oder Patient sind das ca. sechs Kilogramm. Zum Vergleich: Ein normaler deutscher Haushalt erzeugt bereits den europäischen Spitzenwert von 1,7 Kilogramm pro Person. In Deutschland sind Krankenhäuser damit obendrein der fünftgrößte Abfallproduzent.
Dementsprechend groß ist jedoch auch das Stoffpotenzial, das in diesen Abfallmassen steckt. Um dieses zu entfalten, müssen die verschiedenen Abfallarten zum einen sachgerecht sortiert werden. Zum anderen bieten sich aber auch entlang der gesamten Entsorgungskette in den Kliniken oftmals zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten für einen nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen.
Sicherheit im medizinischen Abfallmanagement vor Ressourcenschutz
Neben der Sicherung und Wiedergewinnung von Rohstoffen dient ein kluges Abfallmanagement gleichzeitig der Minimierung von Risiken, die von den verschiedenen Abfallfraktionen ausgehen. Abfallkonzepte in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes dienen daher insbesondere auch dem Arbeits-, Infektions- und nicht zuletzt Umweltschutz sowie dem Schutz Dritter (z. B. in Bezug auf die Zugänglichkeit von Altmedikamenten). In ihrer Dringlichkeit sind diese Sicherheitsaspekte dem Ressourcenschutz übergeordnet.
Dies wird bereits bei der Kategorisierung medizinischer Abfälle in der Abfallgruppe 18 der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) deutlich, wonach die Sortierung der Abfälle nicht gemäß ihren Stoffeigenschaften, sondern nach Gefahrenpotenzial erfolgt. Zugleich zeigt sich hier ein Grundkonflikt zwischen Sicherheit und Ressourcenschutz, mit dem sich Krankenhäuser unvermeidlich konfrontiert sehen. Ziel eines Abfallkonzepts sollte es demnach unterm Strich sein, einen optimalen Ressourcenschutz bei maximaler Sicherheit für Mensch und Umwelt zu gewährleisten.
Wirtschaftliche Vorteile von Abfallkonzepten
Die Aufstellung und Umsetzung eines Abfallkonzepts bringt in der Regel auch wirtschaftliche Vorteile mit sich. Fehler im Entsorgungsprozess, wie etwa der achtlose Einsatz bzw. die Verschwendung von Arbeitsmaterialien, schaden nicht nur der Umwelt, sondern kosten mitunter viel Geld. Bei einer korrekten Entsorgung und der damit verbundenen Rückgewinnung von Wertstoffen (z. B. Gold und Platin bei Herzkathetern profitieren Krankenhäuser zudem von einer möglichen Vergütung, die sie von den Entsorgungs- respektive Recyclingunternehmen erhalten.
Abfallbeauftragte und Abfallkonzepte
Die Entwicklung eines Abfallkonzepts obliegt in erster Linie dem betrieblichen Abfallbeauftragten. Erzeugt ein Krankenhaus im Jahr mehr als zwei Tonnen gefährlichen Abfall, ist es laut § 2 Abfallbeauftragtenverordnung (AbfBeauftrV) zur Bestellung eines solchen verpflichtet. Dabei kann es sich um einen internen Mitarbeitenden handeln, der die Qualifikation in einem entsprechenden Seminar erwirbt bzw. erworben hat, oder auch um eine externe, qualifizierte Fachkraft aus dem Entsorgungsbereich.
Für Kliniken mit einem geringeren Aufkommen an gefährlichen Abfällen besteht keine Pflicht, einen Abfallbeauftragten zu bestellen. Nichtsdestotrotz ist es absolut sinnvoll, dies dennoch zu tun, um jemanden mit den nötigen Fachkenntnissen zur Hand zu haben, die es für ein sinnvolles Abfallmanagement braucht. Die Erstellung eines Abfallkonzepts lohnt sich bereits bei Arztpraxen mit vielen Patienten und Patientinnen (z. B. Gemeinschaftspraxen).
Erstellung eines Abfallkonzepts erfordert Bestandsaufnahme
Der erste und wichtigste Schritt zum Abfallkonzept besteht in einer Bestandsaufnahme des Ist-Zustands. Beim Erfassen des Status quo in Sachen Abfall im Krankenhaus gilt es eine Reihe von Fragen zu beantworten:
- Wo entstehen (welche) Abfälle?
Verknüpft mit dieser Frage ist zunächst eine weitere, nämlich ob sich im jeweiligen Bereich eine Abfalltrennung überhaupt lohnt oder aber geboten ist. Während beispielsweise in den Wartebereichen, wo hauptsächlich Papiermüll anfällt, eine Mülltrennung wenig sinnvoll erscheint, sieht das etwa bei den Vorbereitungsplätzen auf den Stationen mit so unterschiedlichen Abfällen wie Papier, Datenschutzmaterial, Verbänden, Wäsche, Windeln, Spritzen und Kanülen schon ganz anders aus. Aus dieser Beobachtung folgen dann weitere Fragen nach den benötigten Behältern (siehe Frage 4) für die verschiedenen Abfallfraktionen, deren Mengen und dem vorhandenen Platz vor Ort. - Wird der Abfall richtig sortiert und werden alle Abfallströme separat erfasst?
- Wie werden die Abfälle intern transportiert?
Auch hier schließen sich wieder mehrere Unterfragen an: Werden die Abfälle vor der Zentralisierung bereits verpackt oder erst danach; müssen sie überhaupt verpackt werden; werden sie zentral gesammelt und dann in einen Container verbracht? Wer führt den Transport durch? Wie ist der Transport zeitlich geregelt? - In welchen Behältern müssen die Abfälle gesammelt werden?
Für diese Frage spielt nicht nur die reine Trennung nach Abfallart eine Rolle. Auch die jeweiligen speziellen Anforderungen an Behälter wie besondere Eigenschaften (z. B. bruch- und stichfest für Abfälle nach AS 180101 oder Kennzeichnungspflichten (z. B. Gefahrenzeichen, UN-Nummern etc.). - Wer ist der Beförderer?
- Erfolgt eine Zwischenlagerung des Abfalls?
Wenn ja, gibt es möglicherweise Vorgaben für eine korrekte Lagerung? - Wer ist der Entsorger?
Beförderer und Entsorger sind nicht zwangsläufig identisch. - Sind die Beteiligten im Prozess gemäß EfbV zertifiziert?
Nicht jeder Entsorger verfügt über die Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb nach Entsorgungsfachbetriebeverordnung (EfbV), was unter Umständen zu Problemen führen kann (z. B. bei der Entsorgung gefährlicher Abfälle). - Fallen gefährliche Abfälle an?
Generell sollte eine Tabelle angelegt werden, in der die verschiedenen Abfallfraktionen unter den dazugehörigen Abfallschlüsseln aufgeführt sind. Auf diese Weise kann bei der nachfolgenden Analyse u. a. festgestellt werden, ob Abfälle zusammen entsorgt werden, die nicht zusammengehören. - Müssen die gefährlichen Abfälle über einen Einzelentsorgungs- oder Sammelentsorgungsnachweis entsorgt werden?
Dies ist abhängig von der Menge der gefährlichen Abfälle. Liegt diese unter 20 Tonnen pro Jahr, ist ein Sammelentsorgungsnachweis bzw. ein Entsorgungsweg über einen Entsorger ausreichend. - Liegen alle erforderlichen Nachweise und Unterlagen vor?
- Welche Abfallmengen fallen an?
Hierbei müssen dreierlei Mengen erfasst werden: die des letzten Jahres, die aktuellen und die Mengen, die für das folgende Jahr zu erwarten sind. - Ist die Lagerkapazität ausreichend?
Diese Frage muss mit Hinblick auf die zu erwartenden Mengen geklärt werden. Reicht die aktuelle Lagerkapazität nicht aus, ist diese entweder – z. B. durch weitere Container – zu erhöhen oder der Entsorgungsturnus zu steigern - Ist der Abholort gut erreichbar?
Von dieser Frage hängt etwa die Größe der Container und Abholfahrzeuge sowie die Häufigkeit der Abholung ab. - Gibt es bestimmte Anforderungen an die Lagerung der Abfälle?
Manche Abfälle machen spezielle Vorkehrungen erforderlich. So müssen beispielsweise infektiöse- (AS 180103*) oder auch ethische Abfälle (AS 180102) gekühlt gelagert werden. - Müssen ggf. Mitarbeitende geschult werden?
Eine korrekte Entsorgung steht und fällt mit dem Vorgehen der Klinikangestellten. Erfordert das spätere Abfallkonzept eine Anpassung des Umgangs mit Abfällen (was es mit annähernder Sicherheit tut), müssen die Mitarbeitenden diesbezüglich geschult bzw. unterwiesen werden.
Analyse und Optimierung des Entsorgungsprozesses
Die ausführlichen und präzisen Antworten auf die genannten Fragen liefern die Grundlage für eine genaue Analyse des aktuellen Entsorgungsprozesses im Krankenhaus. Im Zuge dieser Analyse werden Optimierungsvorschläge erarbeitet, die maßgeblich in das Abfallkonzept einfließen. Welche das letzten Endes sind, hängt ganz von den individuellen Antworten des jeweiligen Krankenhauses ab. Wie bereits erwähnt, zählen Mitarbeiterschulungen jedoch häufig zu den drängendsten Maßnahmen. Hier gilt es möglichst ein System zu entwickeln, das Mitarbeitende kontinuierlich für das Thema Wertstofftrennung und Ressourcenschutz sensibilisiert.
Eine sinnvolle ergänzende Maßnahme darüber hinaus ist ein Ideenmanagement, über das alle Angestellten in den stetigen Verbesserungsprozess eingebunden werden. Ebenfalls zu den „Basics“ gehört zumeist die Einführung eines leicht verständlichen Farbleitsystems für eine saubere und sortenreine Wertstofferfassung (bzw. Reduzierung von Fehlwürfen), die wiederum zu einer möglichst hohen Wertstoffquote beiträgt. Auch das bedarfsgerechte Vorhandensein und eine regelmäßige Lieferung korrekter Abfallbehälter ist natürlich eine wichtige Grundvoraussetzung hierfür.
Abfallkonzepte sind immer individuell
Unabhängig von solchen Allgemeinposten, über die jedes Abfallkonzept verfügen sollte, ist grundsätzlich festzuhalten: So, wie jedes Krankenhaus einzigartig ist, muss auch jedes Abfallkonzept immer individuell ausgestaltet werden. Und ebenso individuell sind mitunter die Lösungen, die für einzelne Problemstellungen erarbeitet werden. Ein gutes Beispiel hierfür bietet das Uniklinikum Münster. Hier wurde unter anderem für das betriebseigene Intranet eine Art internes Informationsportal rund um das Thema Entsorgung im Klinikum entwickelt. Mitarbeitende können somit beispielsweise bei Fragen zu einer bestimmten Abfallart jederzeit auf die Informationen zugreifen, die sie für eine sachgerechte Entsorgung benötigen. Eine Verschriftlichung des Abfallkonzepts als Nachschlagewerk für Krankenhausangestellte (klassischerweise ein PDF) wird dadurch praktisch obsolet.
Der Blick auf solche individuellen innovativen Lösungen anderer ist äußerst lohnend, was gleichwohl ein Engagement und regen Austausch z. B. in Krankenhausverbänden ratsam erscheinen lässt. An sich bietet die Entsorgungskette im Krankenhaus in der Regel jede Menge Spielraum für Optimierungsansätze – von Überlegungen hinsichtlich Abfallbehältern aus nachhaltigeren Materialien über Fragen bzgl. Mehrweglösungen für Operationsbesteck oder der Aufbereitung infektiösen Materials bis hin zu Optionen mit Blick auf spezielle Leistungen potentieller Entsorgungspartner. Oftmals bietet sich die Lösungsentwicklung dazu an, gleich über den Abfall hinauszudenken und weitere Nachhaltigkeitsaspekte (z. B. einenklimafreundlichen internen Transport) miteinzubeziehen.
Bei der Ausgestaltung des Abfallkonzepts sind Kliniken nicht unbedingt auf sich allein gestellt. Wie schon erwähnt, können sie auch externe Abfallbeauftragte bestellen und sich von Expertinnen und Experten aus der Kreislaufwirtschaft beraten lassen und mit diesen gemeinsam individuelle Lösungen entwickeln.
Kontinuierliche Anpassung der Abfallkonzepte
Abfallkonzepte machen Krankenhäuser nicht nur „grüner“ und sicherer. Sie sorgen auch dafür, dass die komplexen Regeln des deutschen Abfallrechts – vom Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) über das Verpackungsgesetz (VerpackG) bis hin zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) – eingehalten werden. Diese Anforderungen an die Entsorgung sind in ständigem Wandel begriffen, insbesondere aufgrund der sich dynamisch verändernden Bestimmungen zum Klima- und Umweltschutz, die sich zunehmend verschärfen. Abfallbeauftragte sind daher dazu verpflichtet, sich alle zwei Jahre fortzubilden, genauso müssen Abfallkonzepte kontinuierlich an die immer neuen Erfordernisse angepasst werden.
Quellen
- Umweltbundesamt: Abfallrecht
- Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft: Green Hospital: Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung im Krankenhaus, (Hrsg.: J.A. Werner, T. Kaatze, A. Schmidt-Rumposch): Vermeiden, Reduzieren, Wiederverwenden: Aktuelle und künftige Entsorgungskonzepte im klinischen Alltag von Ulrich Hankeln, S.113ff.
- Business-wissen.de: Entsorgungskonzept erstellen
- Abfallmanager Medizin: Neue Verordnung über Betriebsbeauftragte für Abfall
- Das Umwelt-Lexikon: Nachweisverfahren
- Mecklenburg-Vorpommern, Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie: Fragen und Antworten zur Umsetzung der EfbV
- Bremerhaven Meer Erleben: Entsorgungsnachweis, Sammelentsorgungsnachweis
- Abfallmanager Medizin: Interview mit der Umwelt- und Abfallbeauftragten Silvia Hermes
- REMONDIS Medison: Abfallkonzepte für Kliniken und Arztpraxen