Pro Patient fällt jährlich etwa eine Tonne Abfall in einem Krankenhaus der Regelversorgung an. Bisher gibt es in Deutschland keine einheitliche Strategie, um die Gesundheitsversorgung nachhaltiger zu gestalten. Viele Abfälle lassen sich durch strenge Hygienevorschriften kaum eindämmen. Zudem kann nicht jedes Gebäude durch ein neues, ressourcenschonenderes ersetzt werden. Umso wichtiger ist es, im operativen Bereich, wie in der Speiseversorgung, dem Einkauf oder der Mobilität, nachhaltige Potenziale zu finden. Die Redaktion von Abfallmanager Medizin möchte hier auf diesem Portal zukünftig mehr nachhaltige Projekte von Krankenhäusern als Best Practise vorstellen und mögliche Wege für andere medizinische Einrichtungen aufzeigen. Nachahmen ist nämlich in Sachen Klimaschutz ausdrücklich erlaubt!
Abfallvermeidung – in einem Krankenhaus ist dies kein leichtes Unterfangen, denn Sicherheit ist das höchste Gebot und die Angst vor nosokomialen Infektionen und der Verbreitung von Krankenhauskeimen ist groß. Auch deshalb und auch häufig aus finanziellen Gründen setzen Krankenhäuser nach wie vor vor allem auf Einwegprodukte. In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit mehr als ein Schlagwort ist, bemühen sich dennoch zahlreiche Abfallbeauftragte, die Themen Recycling und Vermeidung von Abfällen voranzutreiben.
Das vom BUND geförderte Projekt „KLIK green – Krankenhaus trifft Klimaschutz“ gibt es bereits seit Mai 2019. Insgesamt planen oder realisieren dabei Einrichtungen aus dem Netzwerk aktuell 146 Aktivitäten im Bereich Abfall- und Ressourcenmanagement, die jährlich rund 1,5 Tonnen CO2-Äquivalente vermeiden. Dafür fanden fortlaufend Weiterbildungen für Klinikbeschäftigte zu KlimamanagerInnen in den jeweiligen Regionen der Verbundpartner und online statt. 187 MitarbeiterInnen ließen sich aus- und weiterbilden.
Die Einsparprojekte der Krankenhäuser sind vielseitig, besonders häufig geht es um folgende Abfälle:
- Einwegplastik in verschiedenen Bereichen (Verbesserungspotential mit Marmelade in Waffelschälchen und nicht in Einwegplastikverpackung, Mülltrennung im OP, um bspw. saubere Umverpackung von Wundversorgungsmaterial im gelben Sack zu entsorgen)
- Abfälle im OP wie Einweg-OP-Instrumente (Verbesserungspotential mit Hilfe von Circular Stapler, Endocutter recyceln oder Pinzetten, Scheren etc. sterilisieren) oder Einweg-OP-Mäntel (Verbesserungspotential im Umstellen auf Mehrweg-OP-Mäntel aus Baumwolle)
- Lebensmittelreste (Verbesserungspotential durch die Optimierung von Bestellsystemen, wie z.B. keine automatische Vorsuppe liefern, Teilnahme an Kampagnen wie „Zu gut für die Tonne“)
- Papier (Verbesserungspotential mit Hilfe der Einführung einer digitalen Patientenakte oder Duplexdruck)
- Vermeidung, Reduktion und das Recycling von Narkosegasen
Unsere Redaktion nimmt den Abschluss dieses Projekt im April 2022 als Auftakt für eine neue Serie von Beiträgen, in denen Krankenhäuser und ihre Umweltschutz- und Abfallvermeidungsmaßnahmen vorgestellt werden. Hier unsere ersten Praxisbeispiele.
Lungenklinik sammelt Klammernahtgeräte
In der LungenClinic Grosshansdorf ist Klimamanagerin Beate Dahm kreativ bei der Umsetzung verschiedener Umweltschutz-Projekte. Sie hat unter anderem für den Austausch von Einweg-Papiertischdecken gegen solche aus Baumwolle gesorgt und Sammelboxen aufgestellt, um alte Mobiltelefone vor dem Restmüll zu retten. Ihr Engagement macht auch vor dem Operationssaal nicht halt: So setzt sie sich insbesondere für das Recycling von OP-Klammernahtgeräten ein. Dies sind chirurgische Instrumente, die etwa zur Hälfte aus Metall und zu rund 30 Prozent aus Kunststoff bestehen. Eine externe Firma holte 22 Behälter zum Recyceln ab. Bisher blieben dadurch 159 Kilogramm Metall und 83 Kilogramm Kunststoff erhalten. Auch das Hamburger Asklepios Klinikum Harburg hat ein Projekt ins Leben gerufen, mit dem Einmalinstrumente aus dem OP mithilfe eines digital unterstützten Rücknahmesystems gesammelt und anschließend durch Recycling in den Materialkreislauf zurückgegeben werden.
Dies sind nur zwei Beispiele, wie auch die Verwendung von Einwegprodukten im Sinne der Kreislaufwirtschaft stattfinden kann. Gerade hier herrscht dringender Handlungsbedarf: Allein bei der sogenannten Stationsware (Pinzetten, Scheren, Klemmen, Nadelhalter) liegt der Jahresverbrauch in Deutschland aktuell bei über 20 Millionen Stück. Da diese Instrumente üblicherweise über den allgemeinen Klinikabfall entsorgt werden, ist ein Recycling nicht gegeben. Das muss sich dringend ändern, sagt auch Eva Loy, Projektmitarbeiterin im Projekt KLIK green vom BUND: „Sowohl nationale Gesundheitssysteme als auch einzelne Kliniken müssen Kreislaufwirtschaft als Handlungsfeld in ihre gesamte Klimaschutzstrategie einbinden, um ihre Klimaziele zu erreichen. Das bedeutet entsprechend der Abfallhierarchie, Abfälle in erster Linie zu vermeiden, so dass weder Emissionen durch Müllverbrennung entstehen noch Schadstoffe wie Mikroplastik oder Arzneimittelrückstände in der Umwelt landen.“
Nachhaltige Speisenversorgung im Krankenhaus
Die Entstehung von Abfällen betrifft in den Kliniken insbesondere auch die Essensversorgung. Akutkrankenhäuser werfen pro Tag und Patient mit stationärem Aufenthalt im Durchschnitt 700 g Nahrungsmittel in den Müll. Hinzu kommen To-Go-Verpackungen aus der Kantine oder eingeschweißtes Besteck oder die Nutzung von Plastikschalen. Nicht nur in der von uns vorgestellten Reha-Klinik Bad Fallingbostel steht die Essensversorgung im Zeichen einer grüneren Zukunft. Mit Porzellanbechern, vegetarischen Gerichten zur Reduzierung tierischer Lebensmittel, regionalen Produkten und Aufklärung der Patienten bereits am Tag der Aufnahme, wurde in der Klinik in Niedersachsen der Essensverschwendung der Kampf angesagt. Das Medical Park Berlin Humboldtmühle hat Plastik aus der Essensversorgung generell verbannt und das sogenannte „plastikfreie Frühstückstablett“ etabliert. Statt vieler, einzeln verpackter Essensportionen, setzt Klimamanagerin Dr. Lena Zerbe auf Keramik und Glas. Allein dadurch werden jährlich 2.479,20 Kilogramm Plastik im Jahr eingespart. Die Umstellung ist bei der Anschaffung zwar kostenintensiv, zahlt sich laut Klimamanagerin Zerbe insgesamt aber aus.
Klimamanager Torsten Bölke aus dem Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel schaffte ebenfalls das Einweggeschirr in der externen Essensausgabe der Cafeteria ab. Allein dort gingen wöchentlich 300 Einwegverpackungen über den Verkaufstisch. Durch die Einführung von Mehrweggeschirr vermeidet er so monatlich 72 Kilogramm Verpackungsabfälle. Doch bereits davor war Mehrweg ein Thema in Brandenburg: so werden hier auch täglich 2.000 Mehrweg-OP-Bestecke sterilisiert – nicht nur für das Uniklinikum selbst, sondern auch für die umliegenden Praxen in der Region.
Mitarbeiter müssen Nachhaltigkeitsprojekte mittragen
Bereits heute gibt es für Abfallbeauftragte viele Ansätze für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsprojekten und die Möglichkeiten, umweltschützende Ideen im Krankenhaus umzusetzen sind vielfältig. Doch egal welche Maßnahme etabliert werden soll, eine Herausforderung steht zu Beginn jedes Vorhabens: Sämtliche Mitarbeiter müssen für das Thema sensibilisiert werden und in die Abläufe der Häuser gemeinsam integriert werden. In Abstimmung mit der Klinikleitung können dabei Klimaziele festgelegt und Maßnahmen individuell auf das Krankenhaus zugeschnitten entwickelt werden. Eine Pauschallösung, die auf jedes Krankenhaus passt, gibt es meist nicht. Dennoch lohnt es sich hier zu investieren und umzudenken, meint auch Eva Loy: „Eine Kreislaufwirtschaft in der eigenen Klinik zu erreichen, fördert letztlich nicht nur die Reduktion eigener CO2-Emissionen und die Vermeidung von Umweltverschmutzungen im regionalen Umfeld, sondern ist auch immer eine Maßnahme im Sinne nationaler und globaler Klima- und Umweltziele.“
Haben Sie bereits in ihrem Klinikum ein Recycling- oder Energiesparprojekt erfolgreich umgesetzt? Dann schreiben Sie uns gern eine E-Mail an redaktion@abfallmanager-medizin.de oder berichten Sie in unserem kostenlosen Forum darüber.