Mit über 1.900 Krankenhäusern und Universitätskliniken gilt das Gesundheitswesen in Deutschland nicht nur als einer der größten CO2-Produzenten des Landes, sondern verbraucht auch große Mengen an Ressourcen und Energie. Diesem Fakt sind sich sowohl der Gesundheitssektor, die Politik als auch Dienstleister und Hersteller der Branche bewusst. Auch Kliniken versuchen bereits seit Jahren, Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz in den eigenen Einrichtungen umzusetzen, stoßen dabei aber immer wieder auf große Herausforderungen. Welche das konkret für das medizinische Abfallmanagement sind und wie mögliche Strategien aussehen könnten, haben wir beim diesjährigen Expertentreff in Köln mit über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern genauer unter die Lupe genommen.
Was braucht ein gut funktionierendes medizinisches Abfallmanagement? Und was kommt zukünftig auf Kliniken und medizinische Einrichtungen zu? Das Abfallmanagement bewegt sich aktuell in einem großen Spannungsfeld, wobei Abfallmanagerinnen und Abfallmanager versuchen müssen, den Anforderungen in den Bereichen Hygiene, Arbeitsschutz, Patientenversorgung und Klimaschutz gerecht zu werden, ohne die für den Stoffstrom Abfallmanagement vorgesehenen finanziellen Ressourcen auszureizen.
Daraus resultieren natürlich eine ganze Reihe von Fragen und Herausforderungen, für die viele Kliniken noch keine zufriedenstellenden Lösungen gefunden haben. Hier braucht es Strategien und Wege, das Abfallmanagement für alle Beteiligten einfacher umsetzbar zu gestalten, die Entsorgung stetig an die aktuellen Bedürfnisse der Klinik sowie neue Regelungen anzupassen und Strukturen nachhaltiger auszurichten. Dafür muss allerdings an vielen Stellschrauben innerhalb der Kliniken immer wieder nachjustiert werden.
Nachhaltigkeit als aktuell größte Herausforderung in Kliniken
Teilnehmende, Referentinnen und Referenten sowie Entsorgungsvertreter waren sich auf dem diesjährigen Expertentreff einig: Die aktuell größte Herausforderung stellen Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit dar. Denn Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind komplexe Themen, die nicht immer ganz einfach umgesetzt werden können. Der Schlüssel ist hier die Kommunikation zwischen allen Beteiligten, um gemeinsam Ideen zu entwickeln, die bisherige Maßnahmen erweitern oder ablösen.
Der Sicherheit der Patientinnen und Patienten sowie der Mitarbeitenden muss dabei höchste Priorität eingeräumt werden. Um Maßnahmen erfolgreich umzusetzen, empfiehlt es sich, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen. Zudem sollten ihre Bedürfnisse sowie Erfahrungen berücksichtigt werden, denn nicht jede Maßnahme lässt sich in bestehende Strukturen integrieren.
„Eine Möglichkeit, Ressourcen einzusparen? Ganz klar: das Abfallmanagement!“ – die Aussage aus einer Umfrage des Universitätsklinikums Bonn (UKB) macht deutlich, wie wichtig es ist, Mitarbeitende einzubeziehen. Denn das Abfallmanagement geht alle an! Michael Schmitz – Abfallmanager am UKB – betont, dass es einfacher wurde, das Abfallmanagement zu optimieren, als die Mitarbeitenden dessen Einsparpotenzial selbstständig identifiziert hatten. Das steigert auch die Motivation!
Klare kommunikative Strukturen zwischen den verschiedenen Schnittstellen einer Klinik sind dabei die Basis eines funktionierenden Systems. Unterstützung können hier auch Entsorger bieten, die beratend zur Seite stehen, Lösungen aufzeigen oder gemeinsam mit Kliniken an Nachhaltigkeitsprojekten arbeiten. Wie das genau funktionieren kann und warum gerade der Fortbildung in diesem Kontext eine wichtige Rolle zufällt, zeigten Jessica Hövel (REMONDIS Medison) und Kevin Kelzenberg (EONOVA) mit ihrem Vortrag „Schnittstellen schaffen zwischen Abfall, Hygiene und Management“.
Nachhaltigkeitsberichterstattung wird zukünftig Teil des Klinikmanagements
„Nachhaltigkeit ist Managementaufgabe!“, betonte Prof. Dr. Marcus Sidki von der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen.Für die Umsetzung konkreter Nachhaltigkeitsmaßnahmen – sowohl im Abfallmanagement als auch anderen Bereichen des Krankenhauses – braucht es Rückhalt aus der Entscheiderebene. Aufgabe des Managements ist es, die wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen festzulegen, eine konkrete Strategie zu entwickeln und Maßnahmen anzustoßen. Gerade mit der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, welche auf viele Einrichtungen bis spätestens 2025 zukommt, müssen sich Kliniken zwingend auseinandersetzen.
Hier empfiehlt es sich, sich schon jetzt mit der Thematik zu befassen und eine Arbeitsgruppe zu bilden, in der sich unterschiedliche Abteilungen konkret austauschen und damit die Führungsebene aktiv bei der Strategieentwicklung unterstützen. So wird Nachhaltigkeit und damit auch die Berichterstattung zur Priorität auf allen Ebenen, womit die Maßnahmen einfacher und vor allem erfolgreicher umgesetzt werden können. Hans-Peter Kiefler vom Universitätsklinikum Düsseldorf bringt das mit seiner Forderung im Rahmen des Podiums auf den Punkt: „Nachhaltigkeit darf in Krankenhäusern kein Hobby nach Feierabend mehr sein, sondern braucht einen festen Platz in der Infrastruktur und in den Köpfen der Mitarbeitenden.“
Wie lassen sich nachhaltige Projekte im Abfallmanagement umsetzen?
Funktioniert die Entsorgung in der eigenen Klinik nicht richtig oder sucht man vielleicht auch einen Weg, die Ressourcennutzung in einem bestimmten Bereich nachhaltiger zu gestalten? Fragt man sich vielleicht auch: Wie funktioniert das Abfallmanagement in anderen Kliniken? Was macht man dort anders? Kliniken können hier untereinander vom Fachwissen, Strategien und Lösungen profitieren. Gerade erfahrene Häuser wie die München Klinik, welche bereits in drei von sechs Standorten mit dem Nachhaltigkeitsprädikat der Initiative Green Hospital Plus ausgezeichnet wurde, können hier als Best-Practise-Beispiel dienen.
Erfolgreiche Maßnahmen im (nachhaltigen) Abfallmanagement können vielfältig sein: von Abfall- und Behälterleitfäden am Uniklinikum Münster. Das ist Best Practise aus dem Abfallmanagement, von der sowohl die Teilnehmenden, Referentinnen und Referenten sowie Podiumsteilnehmenden lernen konnten. Besonders auffallend sind auch die Leidenschaft und Leichtigkeit, mit der viele Abfallbeauftragte Projekte im Abfallmanagement sowie zur Nachhaltigkeit vorantreiben. Mit gutem Beispiel geht hier Lea Eggers vom Katholischen Marienkrankenhaus Hamburg voran, die mit ihrer engagierten Arbeit als Koordinatorin des Kompetenznetzwerks Nachhaltigkeit schon vielfältige Projekte nachhaltig vorantreiben konnte.
Neben Best Practise standen aber immer wieder auch Maßnahmen im Mittelpunkt, die sich nicht rentiert haben, nicht in bestehende Strukturen eingebunden werden konnten oder von Mitarbeitenden nicht gut angenommen wurden. Nicht immer alle Ideen und Strategien führen zum Erfolg, dennoch kann man daraus lernen und diese Erfahrungen bei zukünftigen Maßnahmen berücksichtigen.
Klassifizierung und Dokumentation sorgen für Unsicherheit im Abfallmanagement
Neben Nachhaltigkeit sind ebenso auch andere Bereiche im Tagesgeschäft von Kliniken und Krankenhäusern herausfordernd. In der Vielzahl an Gesprächen, Diskussionen und mit den vielen Fragen der Teilnehmenden an das Podium sowie die Vortragenden wurde deutlich, dass gerade die Klassifizierung der Abfälle sowie deren Dokumentation immer wieder zu Problemen und Irritationen im Klinikalltag führt. Wie entsorgt man kontaminierte elektrische Geräte, Verpackungsabfälle aus dem OP oder auch genutzte Infusionsflaschen mit Medikamentenresten? Leitfäden, Paragrafen und Regelungen bieten in manchen Fällen keine abschließenden Lösungen.
Der Austausch zwischen den Abfallbeauftragten zeigte, eine Patentlösung scheint es in vielen Fällen leider nicht zu geben. Verschiedene Einrichtungen verfolgen teilweise unterschiedliche Kategorisierungsansätze, behandeln Abfälle unterschiedlich vor, entsorgen sie nach verschiedenen Abfallschlüsseln und dokumentieren dies entsprechend. Eine klare Empfehlung zur Entsorgung konnte daher nur in den wenigsten Fällen ausgesprochen werden. Vielmehr wurde deutlich, dass die Entsorgung herausfordernd zu klassifizierender Abfälle in enger Absprache mit dem Entsorger passieren muss. Das gestaltet das medizinische Abfallmanagement in manchen Bereichen schwierig, aber macht es auch spannend und herausfordernd.
Netzwerken im medizinischen Abfallmanagement
Auch wenn der Expertentreff an sich bereits zum Netzwerken konzipiert ist, machten die Referentinnen Ute Küppers (Klinikum Solingen) und Lucia Donath von der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. nochmals konkret auf die Bedeutung des Netzwerkens aufmerksam. Gerade der Austausch untereinander könne deutlich zur erfolgreichen nachhaltigen Ausrichtung des Abfallmanagements sowie anderen Bereichen der Klinik, aber auch zur generellen Optimierung des Abfallmanagements beitragen. Klare Empfehlungen sind hier Arbeitskreise sowie die Nutzung von Angeboten der Krankenhausgesellschaft, die Kliniken bei der Etablierung von Maßnahmen sowie der klimaneutralen Ausrichtung unterstützen. Ergänzend empfiehlt es sich, sich konkret an Hersteller, Entsorger und Vertretende der Politik zu wenden, um Änderungen anzustoßen und neue Lösungen zu entwickeln.
Nachhaltigkeit braucht verschiedene Stellschrauben
Der diesjährige Expertentreff macht deutlich: Kliniken müssen Maßnahmen vorantreiben, mit denen sie sich vor allem im Abfallmanagement nachhaltiger aufstellen können. Keine Klinik kann dies bis dato perfekt umsetzen, aber es gibt Strategien, mit denen es zukünftig gelingen kann. Möglich wird das, wenn man aus den Best-Practise-Beispielen anderer Kliniken lernt, eigene Strukturen und Maßnahmen reflektiert, Nachhaltigkeit auf allen Ebenen der Klinik priorisiert und auf den Austausch mit Vertretenden aus Politik, Entsorgern und Herstellern der Gesundheitsbranche setzt. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für den Bereich Nachhaltigkeit, sondern ist auf alle Bereiche des Abfallmanagements und der Krankenhausorganisation anwendbar.