DRG-Forum 2023 Krankenhausreform fordert neue Strategien im Klinikalltag

Dr. Andreas Philippi, niedersächsischer Minister für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung; Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin, GKV-Spitzenverband; Florian Albert, Chefredakteur, Bibliomed-Verlag; Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender, Deutsche Krankenhausgesellschaft; Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Kliniken Köln, Mitglied des Expertenrats, sprachen im Plenum über die notwendige Zeitwende im Krankenhaus. (Foto: Bibliomed-Verlag, Regina Sablotny Fotografie Berlin)
Dr. Andreas Philippi, niedersächsischer Minister für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung; Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin, GKV-Spitzenverband; Florian Albert, Chefredakteur, Bibliomed-Verlag; Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender, Deutsche Krankenhausgesellschaft; Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Kliniken Köln, Mitglied des Expertenrats, sprachen im Plenum über die notwendige Zeitwende im Krankenhaus. (Foto: Bibliomed-Verlag, Regina Sablotny Fotografie Berlin)

Am 30. und 31. März widmete sich das DRG-Forum den aktuellen Herausforderungen rund um die größte Krankenhausreform seit 20 Jahren sowie dem Thema Nachhaltigkeit. Dafür organisierte die Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft (f&w) für knapp 1.900 Teilnehmende aus den Bereichen Krankenhausmanagement sowie Politik, Wirtschaft, unterschiedlichen medizinischen Verbänden sowie Vertretern und Vertreterinnen aus der Wissenschaft einen hybriden Klinikkongress im Estrel Congress Center Berlin. Laut Veranstalter schaffte man damit nicht nur ein Forum für den Austausch zwischen den unterschiedlichen Beteiligten, sondern eröffnete den Teilnehmenden zudem Zugang zu einer der wichtigsten Konferenzen für die Management- und Entscheidungsebenen des Gesundheitswesens.

Großes Thema der Veranstaltung: die aktuelle Krankenhausreform. Denn die Situation in deutschen Krankenhäusern ist prekärer denn je. Die Reform soll die Versorgungsqualität verbessern, unnötige Klinikschließungen vermeiden und flächendeckend die qualitativ hochwertige Versorgung – gerade auch in ländlichen Regionen – im Sinne der Daseinsfürsorge langfristig sichern.

Problematisch ist laut Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach, der im Rahmen des DRG-Forums zum Thema „Die Agenda des Bundesgesundheitsministers“ referierte, allerdings die Tatsache, dass sich viele Krankenhäuser in einer Abwärtsspirale befinden. Sie hätten zu wenig Personal, zu wenige Fälle und gerieten zunehmend in eine finanzielle Schieflage.

Die Krankenhausreform ist nicht mehr umkehrbar

Dieser Teufelskreis müsse durchbrochen werden, denn die beste Zeit der diagnosebezogenen Fallgruppen (DRGs) sei vorbei. „So, wie wir die DRGs eingeführt und über Jahre genutzt haben, kommen wir nicht mehr weiter. Wir brauchen einen Systemwechsel“, so der Bundesgesundheitsminister. Krankenhäuser hätten ihre Effizienzreserven in den letzten Jahren aufgebraucht, sich auf Leistungen konzentriert, die einen positiven Deckungsbeitrag ermöglichten, und an der Pflege gespart. Damit hat das DRG-System – an dessen Planung Lauterbach aktiv beteiligt war – seine eigenen Probleme geschaffen.

Das Zauberwort hieß hier lange Kompensation, welche langsam, aber sicher, deutlich an ihre Grenzen stößt. Ohne eine notwendige Reform würden die steigenden Energiekosten, der zunehmende Fachkräftemangel sowie der Trend zur Ambulantisierung zum Aus zahlreicher Kliniken führen. Welchen Einfluss die Reform zukünftig auf die Entwicklung des Krankenhausmanagements sowie die Versorgung der Patienten haben wird, kann nur die Zukunft zeigen. Eins werde aber bereits jetzt deutlich: Der angestoßene Prozess der Krankenhausreform ist nicht mehr umkehrbar.

Ganz ohne Fallpauschalen geht es auch in Zukunft nicht

Krankenhäuser gehören zur Daseinsvorsorge der Gesellschaft. Damit liegt es in der Verantwortung der Politik, Kliniken, die wirklich gebraucht werden, vor einer finanziellen Schieflage zu bewahren. Dafür werden Fallpauschalen durch Vorhaltekosten für bestimmte Leistungsgruppen ersetzt. Trotzdem kann es nicht gänzlich ohne fallbezogene Bezahlung funktionieren. In der Kommission wird eine Mischung aus Vorhaltekosten sowie Fallpauschalen nach dem Schlüssel 60 zu 40 angestrebt, welche durch die Definition von Leistungsgruppen realisiert werden soll. Damit schließt die Politik einen Kahlschlag nach dem dänischen Modell – sprich einer zentralisierten Krankenhauslandschaft – aus und verfolgt das große Ziel, bis Sommer 2023 ein Konzept zur Abwendung der Krise zu entwickeln.

Neue Lösungen für bestmögliche Patientenversorgung

Karl Lauterbach sowie weitere Experten des DRG-Forums waren sich einig: So kann es nicht weitergehen. Es müssten Lösungen entwickelt werden, um langfristig eine gute Versorgung der Patienten gewährleisten zu können.

Dr. Andreas Philippi – neuer niedersächsischer Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung – betonte in seinem Vortrag, dass es keine allgemeingültige Lösung gäbe und jedes Bundesland eigene Strategien entwickeln müsse. Eine solche Lösung könnte beispielsweise die Zusammenlegung von Krankenhäusern sein. Zudem machen die Länder dem Bund gegenüber die Gefahr der Investorenfinanzierung deutlich und appellierten für die Regulierung der Medizinischen Versorgungszentren.

Die Bundesärztekammer sowie Gesundheitsexperten betonen schon lange, dass die zunehmende Umstellung von Arztpraxen zu profitorientierten Unternehmen langfristig zur Bündelung von Kompetenzen in Ballungszentren und damit zu einem deutlich spürbaren Mangel in anderen Regionen führen wird.

Aufgrund vielfältiger Probleme der Branche forderten unterschiedliche Referenten weitreichende Umstrukturierungen der deutschen Krankenhauslandschaft und riefen das gesamte Gesundheitswesen auf, diesen Umbruch aktiv mitzugestalten. Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, betonte die Wichtigkeit der Versorgungssicherstellung in ländlichen Regionen und machte deutlich, dass dafür vor allem die Schließung der Kosten-Erlös-Schere notwendig sei.

Auch Stefanie Stoff-Ahnis sprach sich als Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbandes für die Sicherung einer qualitativ hochwertigen Versorgung aus. Trotz aller Vorteile, die Lauterbach mit der Krankenhausreform verspricht, dürften die hohen Kosten von knapp 100 Milliarden Euro nicht außer Acht gelassen werden.

Prof. Dr. Christian Karagiannidis – Mitglied des Expertenrates der Kliniken Köln – appellierte daher für eine transparente Umsetzung gegenüber den Patientinnen und Patienten. Denn Deutschland steht vor „gewaltigen Finanzierungsproblemen“, welche vor allem auch bei den Krankenversicherungen für eine große Finanzierungslücke sorgen werden – das betrifft schlussendlich auch in direkter Folge die Patientinnen und Patienten.

Protestaktionen: Bündnis Klinikrettung

Neben vielen positiven Stimmen rund um die Krankenhausreform gab es parallel zum Forum eine Protestaktion von Mitarbeitenden aus dem Gesundheitswesen. Die Demonstrierenden forderten eine gemeinwohlorientierte Alternative zur geplanten Krankenhausreform. Laut ihnen drohe aufgrund der Reform ein massiver Abbau von Kliniken und die erhoffte finanzielle Revolution des Gesundheitswesens falle aus. Ihr Lösungsvorschlag: Mitbestimmung bei der Reform durch Mitarbeitende, die täglich mit den Auswirkungen der Entscheidungen für das Gesundheitswesen konfrontiert werden bzw. diese ausführen müssen. Die Forderungen schließen dabei unter anderem das Verbot der Gewinnerwirtschaftung, den Stopp der Privatisierung, einen verbindlichen Personalschlüssel im gesamten Krankenhaus, die Demokratisierung der Krankenhausorganisation sowie die Orientierung an einer bedarfsgerechten Versorgung und dem Gemeinwohl ein.

Nachhaltigkeit im Krankenhauskonzern wird Priorität

Zusätzlich zur Krankenhausreform wurde auch über nachhaltiges sowie ressourcenschonendes Krankenhausmanagement gesprochen, denn die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird zukünftig nicht mehr zur Kür gehören, sondern rückt als essenzieller Pflichtteil in den Mittelpunkt der Klinikorganisation. In der Session „Nachhaltigkeit – Wie sich Klima schützen und Energie sparen lässt“, moderiert von Prof Dr. Marcus Sidki, wurde die Umsetzung der Nachhaltigkeitsbestrebungen, orientiert am deutschen Nachhaltigkeitskodex, thematisiert. Zur einfachen Umsetzung der Nachhaltigkeitskonzepte soll im Herbst 2023 ein Leitfaden veröffentlicht werden.

Zudem befasste sich das Programm mit der Umsetzung unterschiedlicher Modelle und Strategien für einen möglichst nachhaltigen Klinikalltag in unterschiedlichen Krankenhäusern. Vorgestellt wurden unter anderem Projekte der Asklepios sowie Helios Kliniken. Besonders zu erwähnen ist dabei das Nachhaltigkeitsmanagement, das Hafid Rifi, Chief Financial der Asklepios Kliniken, gemeinsam mit seinem Team über die letzten Jahre entwickelt hat. Das unter dem Motto „Die richtigen Prioritäten setzen: Nachhaltigkeit im Krankenhauskonzern steuern und messen“ laufende Nachhaltigkeitsmanagement-Konzept wurde mit dem Vordenker Award des DRG-Forums [interner Link: News] ausgezeichnet. „Der Asklepios-CFO und sein Team haben ein umfassendes Nachhaltigkeitsmanagement aufgebaut, das beispielhaft in der hiesigen Krankenhauslandschaft ist“, begründet die Jury ihre Wahl.

Quellen

Dr. Andreas Philippi, niedersächsischer Minister für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung; Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin, GKV-Spitzenverband; Florian Albert, Chefredakteur, Bibliomed-Verlag; Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender, Deutsche Krankenhausgesellschaft; Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Kliniken Köln, Mitglied des Expertenrats, sprachen im Plenum über die notwendige Zeitwende im Krankenhaus. (Foto: Bibliomed-Verlag, Regina Sablotny Fotografie Berlin)
Dr. Andreas Philippi, niedersächsischer Minister für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung; Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin, GKV-Spitzenverband; Florian Albert, Chefredakteur, Bibliomed-Verlag; Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender, Deutsche Krankenhausgesellschaft; Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Kliniken Köln, Mitglied des Expertenrats, sprachen im Plenum über die notwendige Zeitwende im Krankenhaus. (Foto: Bibliomed-Verlag, Regina Sablotny Fotografie Berlin)