Ambulanz Ambulantisierung – Die Zukunft des Gesundheitswesens?

Medizinische Operation mit mehreren Mitarbeitenden.
Die Ambulantisierung rückt mit der geplanten Krankenhausreform stärker in den Mittelpunkt. Diese Entwicklung bedeutet viele strukturellen, finanziellen und organisatorischen Veränderungen – auch für das Abfallmanagement. (Foto: alfa27)

Die Ambulantisierung spielt in der Gestaltung des deutschen Gesundheitswesens bereits seit Jahren eine entscheidende Rolle und soll vor allem im Kontext der geplanten Krankenhausreform noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Nach den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums sollen verschiedenste medizinische Leistungen zukünftig ambulant erbracht werden, was zu einer deutlichen Entlastung der Kliniken führen soll. Aktuell geht die angestrebte Ambulantisierung aber vor allem mit strukturellen, finanziellen und organisatorischen Veränderungen – auch für das Abfallmanagement – einher. Das gilt gleichermaßen für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Ambulanzen und Kliniken.

Als wesentlicher Teilaspekt der Krankenhausreform strebt die Ambulantisierung eine umfängliche Verschiebung medizinischer Versorgungsleistungen vom stationären in den ambulanten Bereich an – das schließt vor allem operative Eingriffe ausdrücklich ein. Ambulantisierung ist demnach ein Prozess der Auslagerung oder genauer gesagt Umlagerung, in dessen Folge Patientinnen und Patienten ohne längere vor- oder nachstationäre Aufenthalte behandelt bzw. operiert werden können. Die Intention dahinter: Kosten reduzieren, Belastungen minimieren und Kapazitäten schaffen. Es geht um die Entlastung der an ihre finanziellen, aber auch personellen Kapazitäten kommenden Krankenhäuser, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer möglichst lückenlosen Versorgungsstruktur.

AOP-Katalog regelt ambulante Behandlung

Schon 2019 beauftragte der Gesetzgeber die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) das ambulante Operieren nach § 115b SGB V konzeptionell weiterzuentwickeln. Es ging um die Schaffung finanzieller und struktureller Strategien, mit denen stationäre Operationen im Krankenhaus zugunsten ambulanter Operationen reduziert werden können. Notwendigerweise war damit die Erweiterung des AOP-Katalogs (Katalog ambulant durchführbarer Operationen) verbunden: Seit Anfang 2024 liegt nun ein um 171 Operationsmöglichkeiten gemäß Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS-Codes) angewachsener AOP-Katalog vor. In konkrete operative Eingriffe umgerechnet, entspricht das circa 300.000 bis dato vollstationären Fällen, die jetzt ambulant erbracht werden (dürfen). Das gilt für:

  • Unfallchirurgie,
  • Handchirurgie,
  • Orthopädie,
  • Hernienchirurgie,
  • HNO-Krankheiten,
  • Plastische Chirurgie,
  • Gynäkologische Erkrankungen,
  • Urologische Erkrankungen und
  • Allgemein-, Viszeral- sowie Thoraxchirurgie.

Zur Förderung hatten die gesetzlichen Krankenkassen Ambulanzen zusätzlich 60 Millionen Euro in Aussicht gestellt, welche seit Anfang 2024 als der sogenannte „Hygienezuschlag“ ausgezahlt werden. Der Hygienezuschlag greift dabei für alle im EBM-Vergütungskatalog Abschnitt 31.2 aufgeführten Eingriffe. Ausnahmen bilden Kataraktoperationen (GOP 31350 und 31351) und Gebührenordnungspositionen (GOP), denen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine OPS-Codes im Anhang 2 EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) zugeordnet sind. Die Höhe der Zuschläge ergibt sich aus der Art des Eingriffs, dem Aufwand der Aufbereitung der OP-Instrumente (Sterilisation usw.) oder der veranschlagten OP-Zeitdauer.

Vorteile und Nachteile der Ambulantisierung

Wo die Sinnhaftigkeit der Ambulantisierung auf der Hand liegt – Entlastung des stationären Betriebs, Kosteneinsparungen, Vermeidung des Klinikaufenthalts für Patientinnen und Patienten – sind zugleich aber auch Bedenken und Kritikpunkte nicht von der Hand zu weisen. Vor allem Ärztinnen und Ärzte in Praxen und ambulanten Niederlassungen befürchten einen arbeitsorganisatorischen Mehraufwand, der die ohnehin schon überlasteten Strukturen noch einmal mehr strapazieren könnte. Folglich sieht nach einer Studie der Stiftung Gesundheit fast die Hälfte der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte die Ambulantisierung skeptisch oder bezeichnet sie gar als Risiko für die Patientenversorgung (45,7 Prozent). Lediglich 15,9 Prozent stehen der Entwicklung positiv gegenüber. Sowohl Vor- als auch Nachteile erkennen 38,4 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte.

Hinzukommt ein weiterer Aspekt: Nicht ohne Grund fürchten mehr als zwei Drittel der Medizinerinnen und Mediziner Risiken für ihre Patientinnen und Patienten durch die vergleichsweise kurze Beobachtungszeit sowie die geringeren Kontrollmöglichkeiten, die eine ambulante Behandlung naturgemäß mit sich bringen. Außerdem geben 57,1 Prozent der Befragten zu bedenken, dass eine solch rigorose Entwicklung eine schlechtere Ausbildung in Krankenhäusern nach sich ziehen könne, da viele, scheinbar einfache Standardfälle nicht mehr zum Alltag gehören würden. 54,9 Prozent rechnen zudem mit notgedrungenen Schließungen von Krankenhäusern als Konsequenz einer zunehmenden Ambulantisierung.

Ambulanzen im Krankenhausbetrieb

Gerade Letzteres führt zu der Frage, wie hoch Krankenhäuser selbst das Potenzial für die Ambulantisierung einschätzen? Oder besser gefragt: Wie sinnstiftend ist diese Entwicklung? Denn deutsche Krankenhäuser bieten vielfache Möglichkeiten, Patientinnen und Patienten in ganz unterschiedlichen Rechtsrahmen ambulant zu behandeln. Eine valide Einschätzung gibt hierzu das bereits erwähnte Gutachten nach § 115b Abs. 1a SGB V des IGES-Instituts, dem Forschungs- und Beratungsinstitut für Infrastruktur- und Gesundheitsfragen. Laut Gutachten kann momentan jede vierte Krankenhausleistung ambulant erbracht werden.

Die Basis für die Abrechnung ambulanter Operationen bildet der AOP-Katalog. Wichtig: Will oder kann ein Krankenhaus nun aber die dort verzeichneten Leistungen eben nicht ambulant, sondern „nur“ stationär erbringen, muss es dafür eine Notwendigkeit nachweisen und anhand sogenannter „Kontextfaktoren“ dokumentieren. Werden die angeführten Kontextfaktoren als unzureichend erachtet, muss der jeweilige Behandlungsfall als ein ambulanter abgerechnet werden – was teuer werden kann. Eine Studie des Deutschen Krankenhaus Instituts (DKI) aus dem Jahr 2022 legt dar, dass die ambulante Vergütung im Schnitt nur rund zwei Drittel der Kosten einer stationär erbrachten Leistung deckt. Wird eine als ambulant durchführbar deklarierte Leistung in stationärem Prozedere erbracht, kann das für Krankenhäuser einen oft erheblichen finanziellen Mehraufwand bedeuten.

Sektorengrenzen ambulanter Versorgung und Hybrid-DRG

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach setzt mit der Krankenhausreform stark auf die Ambulantisierung, allerdings gerät die gesundheits- und reformpolitische Priorität im wahrsten Sinne an Grenzen, die der Sektorengrenzen. Die verwaltungstechnische Aufsplittung in behandlungsspezifische Sektoren ist ein Alleinstellungsmerkmal des deutschen Gesundheitssystems und gilt als ein Hauptgrund für dessen Ineffizienz. Um dem gegenzusteuern wurde im Zuge desAmbulantisierungsvorhabens ab Januar 2024 eine Hybrid-DRG genannte Vergütungssystematik installiert, die sowohl Praxen und Ambulanzen als auch Krankenhäusern für ausgewählte Leistungen die gleiche Vergütung, eine „sektorengleiche oder sektorenübergreifende Vergütung“ zukommen lässt. Auch wenn die Hybrid-DRG in vielen Detailfragen noch ausbaufähig ist und folglich entsprechend zeitnah weiterentwickelt werden sollte, wird dies gleichwohl als wichtiger Schritt hin zu einer tragfähigen, sektorenübergreifenden Patientenversorgung bewertet.

Herausforderungen bei der Ambulantisierung im Krankenhausbetrieb

Der Hauptteil der mit der Ambulantisierung verbundenen Herausforderungen ist rein struktureller Natur. Denn tatsächlich werden bereits vielfach Leistungen von Krankenhäusern und spezialisierten niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten ambulant erbracht. Allerdings ist eine strukturierte Abstimmung oder Koordinierung dieser ambulanten spezialärztlichen Versorgungsangebote wie auch zwischen den Sektoren bisher kaum bis gar nicht erkennbar.

Eine Studie der RHÖN STIFTUNG führt dazu etwa auf,

  • dass in vielen Krankenhäusern ein vollständiger Überblick darüber fehlt, welche ambulanten Leistungen wie und in welchem Umfang erbracht werden.
  • dass die Leistungserbringung in meist dezentralen Fachabteilungen erfolgt und nicht übergreifend gesteuert und gebündelt wird.dass oftmals keine krankenhauseinheitliche Standards existieren, womit jede ambulante Einheit/Sprechstunde in einer Art „Insellösung“agiert.
  • dass das ambulante Leistungsspektrum insgesamt zu „neigungs- und angebotsinduziert“ und folglich zu wenig nach dem tatsächlichen Bedarf vor Ort ausgerichtet ist.
  • dass das Gros der Mitarbeitenden die ambulante Leistungserbringung in der Regel nicht ausschließlich, sondern zuzüglich der stationären Aufgaben bewerkstelligen muss.

Ambulantisierung „ganzheitlich“ im kommunalen Kontext

Die Ambulantisierung spielt in Kommunen zur Umsetzung der Daseinsvorsorge eine wichtige Rolle. Aus dieser kritischen Bestandsaufnahme ergeben sich wiederum folgende Schlüsse:

  • Ambulantisierung muss ganzheitlicher, sektorenübergreifender und als ein integraler Bestandteil eines größeren Versorgungsgesamtkonzeptes betrachtet und gehandhabt werden.
  • Ausgangspunkt dafür muss eine Analyse sein, die nicht nur die Situation im jeweiligen Krankenhaus, sondern auch in dessen Umfeld berücksichtigt, das heißt, strukturelle, demografische, wirtschaftliche Gegebenheiten in der jeweiligen Kommune einbezieht. Eine sinnstiftende Ambulantisierung muss nach Bedarf und Leistungsangebot in der Region ausgerichtet sein.
  • Das Knüpfen tragfähiger Netzwerke, die funktionierende Arbeitsstrukturen mit anderen kommunalen sowie privatwirtschaftlichen Dienstleistern etabliert, muss noch verstärkter als Voraussetzung für eine erfolgreiche Ambulantisierung begriffen und umgesetzt werden.

Diese kritischen Aspekte sind auch im Kontext kreislaufwirtschaftlicher Belange wie Ressourceneinsparung und Abfallentsorgung zu verstehen. Geht doch auch ambulantes Operieren mit einem relevanten Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen einher.

Ambulantisierung und Abfallmanagement

Neue, konkret auf die Ambulantisierung gerichtete abfallgesetzliche Angleichungen gibt es derzeit nicht. Für Praxen, Ambulanzen sowie Kliniken mit integrierten Ambulanzen, wie auch für Krankenhäuser insgesamt, gelten nach wie vor die obligaten Bestimmungen aus KrWG, LAGA, Abfallverzeichnisverordnung (AVV), Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) usw. Ob bei ambulanten oder stationären Eingriffen: Bezüglich Energie- und Abfallmanagement greift grundsätzlich die Priorität der Reduzierung von Schadstoffemissionen (z. B. Kohlendioxid) sowie des Materialverbrauchs, aber auch die Sicherheit für Mitarbeitende und Patientinnen sowie Patienten hat hier oberste Priorität.

Die basisrelevanten Fragen für ein ambulantes Versorgungskonzept sind dabei ähnlich der basisrelevanten Fragen für das Erstellen eines Abfallkonzeptes:

In welcher Größenordnung bewegen sich die medizinischen Leistungen und somit das daraus resultierende Abfallaufkommen?

Wichtig auch hier an erster Stelle, dass medizinische Einrichtungen in denen pro Jahr mehr als zwei Tonnen gefährliche Abfälle erzeugt werden, verpflichtet sind, einen betrieblichen Abfallbeauftragten zu stellen (§ 2 Abfallbeauftragtenverordnung/AbfBeauftrV). Dieser ist für Entwicklung und Umsetzung des Abfallkonzeptes verantwortlich. Aber auch bei kleiner dimensionierten Aufkommen gefährlicher Abfälle gibt es ein komplexes Geflecht an Vorgaben zu beachten. Die in der LAGA-Mitteilung 18 vorgeschriebenen Entsorgungswege fixieren hierbei die verbindlichen Richtlinien. Es empfiehlt sich gerade in Praxen und Ambulanzen, in denen kein eigens geschulter Abfallbeauftragter die Aufbewahrung und Entsorgung der Abfälle koordiniert, diese Liste der gefährlichen Abfälle zwecks Rückversicherung regelmäßig zu konsultieren und somit sicherzustellen, dass Vorgaben zur Entsorgung korrekt umgesetzt werden.

Welche strukturellen und gesetzlichen Gegebenheiten herrschen konkret in den Kommunen? Gibt es Besonderheiten zu beachten?

Verordnungen, Richtlinien, Gesetze, Satzungen – die europäischen und nationalen Regelungen des Abfallrechts sind nicht leicht zu durchdringen. Doch können zu diesen aufgrund des Satzungsrechts der Kommunen auch noch regional variierende Vorgaben hinzukommen. Diese spezifisch kommunalen Abfallsatzungen beinhalten ggf. auch Vorgaben für Arztpraxen und Ambulanzen (z. B. fixiert die Abfallwirtschaftssatzung der Stadt Wuppertal in § 21 spezielle Regelungen für medizinische Abfälle).

Welche Netzwerke mit anderen Leistungsträgern – hier mit Entsorgern – lassen sich knüpfen?

Bis zu 40 Arten medizinischen Abfalls können in Gesundheitsbetrieben anfallen – inkl. Sonderabfälle. Infektiöse Abfälle (AS 180103*) oder solche die dem Betäubungsmittel- und Chemikaliengesetz unterliegen (AS 180104, AS 180107), Atemkalk oder auch spitze und scharfe Gegenstände (AS 180101) und nicht zu vergessen – ethischer Abfall in seiner ganzen Bandbreite (Amputate, innere Organe, Gewebereste, größere Blutmengen gelten als Sondermüll nach AS 180102.

Die fachgerechte Entsorgung all dieser Abfälle ist eine verantwortungsvolle und für Ungeschulte nicht selten mühevolle Arbeit. Auch mit Blick auf die Mehrbelastung im Zuge der Ambulantisierung, sollten Praxen und Ambulanzen vor Ort gezielt nach jenen Entsorgern suchen, die auf diese Abfälle spezialisiert sind. Und die mit der Bereitstellung sicherer Behälter, mit flexiblen Zeiträumen beim Abholen des Abfalls und nicht zuletzt mit dem kundenkonformen Erstellen von Entsorgungskonzepten insgesamt eine Entlastung bieten. Auch hier gilt: Ambulantisierung funktioniert nur „ganzheitlich“ und „sektorenübergreifend“.

Quellen

Medizinische Operation mit mehreren Mitarbeitenden.
Die Ambulantisierung rückt mit der geplanten Krankenhausreform stärker in den Mittelpunkt. Diese Entwicklung bedeutet viele strukturellen, finanziellen und organisatorischen Veränderungen – auch für das Abfallmanagement. (Foto: alfa27)