Zehn Modernisierungsmaßnahmen für klimaneutrales Krankenhaus Wie Kliniken bis 2045 Klimaneutralität erreichen könnten

Gutachten zeigt Weg auf, wie Kliniken konkret zu Klimaneutralität beitragen können (Foto: Adam Eszes)
Gutachten zeigt Weg auf, wie Kliniken konkret zu Klimaneutralität beitragen können (Foto: Adam Eszes)

Traurig, aber wahr: Krankenhäuser sind Klimasünder. Weil sie für eine ununterbrochene medizinische Versorgung rund um die Uhr im Betrieb sein müssen, bedarf es für ein Krankenhausbett umgerechnet etwa so viel Energie wie für zwei Haushalte. Damit gehen jedoch beträchtliche CO2-Emissionen einher. In konkreten Zahlen verursacht das Gesundheitssystem allein, hauptsächlich durch Krankenhäuser, in Deutschland 5,2 Prozent der Gesamtemissionen – und damit nicht viel weniger als die Stahlindustrie (ca. sechs Prozent). Nun sollen aber auch Kliniken zum von der Bundesregierung avisierten Ziel einer klimaneutralen Bundesrepublik bis 2045 beitragen. Was sie dafür tun können, legt ein neues Gutachten des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie dar. Darin spielen auch Abfall- und Umweltbeauftragte eine wichtige Rolle.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Krankenhäuser sind Klimasünder, weil sie ununterbrochen Energie benötigen.
  • Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreichen zu können, müssen Schritt für Schritt konkrete Maßnahmen ergriffen werden.
  • Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat in einem Gutachten zehn Modernisierungsmaßnahmen herausgearbeitet.
  • Ein weiteres Gutachten befasst sich mit der Finanzierung der Transformation zu klimaneutralen Krankenhäusern.

Das Gutachten mit dem Titel „Zielbild: klimaneutrales Krankenhaus“ wurde von der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben. Dem Papier zufolge könnten die Krankenhäuser in NRW eine wichtige Vorreiterfunktion in der klimafreundlichen Bewirtschaftung von Krankenhäusern wahrnehmen. Das angestrebte Ziel der Klimaneutralität bedeutet dabei nicht bloß eine Neutralisierung der Treibhausgase, sondern auch die aller menschlichen Einflussfaktoren auf das Klimasystem. Um das zu erreichen, stellen die Gutachter zehn konkrete Maßnahmen heraus, um Emissionen in drei Bereichen – sogenannten Scopes – anzugehen:

Scope 1: Direkte Emissionen: Solche, „die direkt von den Einrichtungen und deren Fahrzeugen ausgehen“.

Scope 2: Indirekte Emissionen: Diese umfassen die Emissionen von externen Energiequellen, z. B. für Strom oder Fernwärme.

Scope 3: Indirekte Emissionen aus der Versorgungskette: D. h. jene, die aus „Produktion, Transport und Entsorgung von Waren und Dienstleistungen“ entstehen. Diese betreffen alle möglichen Versorgungsbereiche, von Arznei- und Lebensmitteln über medizinische Instrumente bis zu Anfahrten von Mitarbeitenden, Patienten und Besuchern.

Zehn Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern

Die zehn Maßnahmen verteilen sich wiederum auf fünf übergeordnete Handlungsfelder:

  • Kampagnen,
  • Klimaschutz-Controlling,
  • Verantwortlichkeiten,
  • Ökostrom
  • sowie Entwicklung und Umsetzung smarter Lösungen.

Konkret benennen die Autoren die zehn Maßnahmen wie folgt (mit dem jeweiligen Umsetzungshorizont in Klammern):

  • Klimaschutzmanagement (3 Jahre)
  • Photovoltaik (2 Jahre)
  • Wärme- und Kälteerzeugung (5 bis 10 Jahre)
  • Gebäudehüllensanierung (5 bis 10 Jahre)
  • LED-Beleuchtung (2 Jahre)
  • Heizungspumpensanierung (5 Jahre)
  • Lüftungsanlagen (5 bis 10 Jahre)
  • ohne Auto zum Krankenhaus (1 Jahr)
  • Ausbau E-Mobilität (3 Jahre)
  • Narkosegas (2 Jahre)

Klimaschutzmanagement (3 Jahre)

Um Klimaschutzprozesse erfolgreich umzusetzen, bedarf es dem Gutachten zufolge eines dafür verantwortlichen „Motors und Promoters“, der eng mit der Geschäftsführung zusammenarbeitet, beispielsweise in Form einer Stabsstelle „Klimamanagement“. Den Verantwortlichen obliegt die Planung und Durchführung von Maßnahmen und Kampagnen, Befragungen der Beschäftigten, eines Sanierungs- und Dekarbonisierungsfahrplans sowie das Erfassen von Verbrauchsdaten und die Überwachung des Klimaschutzfortschritts. Daneben braucht es ein Klimaschutz-Team, bestehend aus Mitarbeitenden aus verschiedenen Bereichen des Krankenhauses wie Abfall- und Umweltbeauftragte, technischer Leitung, Unternehmenskommunikation etc., das an der Umsetzung dieser Aufgaben beteiligt ist – mit entsprechenden berufsbegleitenden Qualifizierungen sowie einer Vernetzung untereinander.

Photovoltaik (2 Jahre)

In puncto erneuerbare Energien ist die Photovoltaik praktisch in ganz NRW ausbaufähig. Pro Standort, so die Gutachter, lässt sich im Durchschnitt eine Groß-PV-Anlage mit 500 KW (Peak-) Leistung installieren. Je nach äußeren Gegebenheiten können mit einer solchen Anlage ca. 450.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr generiert werden. Die Gesamtkosten samt Montage und Technik belaufen sich im Schnitt auf etwa 600.000 Euro je Einrichtung.

Wärme- und Kälteerzeugung (5 bis 10 Jahre)

Für eine klimafreundliche Wärmeerzeugung müssen Krankenhäuser ihre mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizsysteme durchsolche ersetzen, die auf erneuerbaren Energien basieren. Mögliche Optionen hierfür sind Geothermie, Großwärmepumpen, Holz, Grubengas, Biogas, Solarthermie oder mehrere dieser Technologien in Kombination. Welche davon infrage kommen, hängt von den Bedingungen vor Ort ab. Auch der Anschluss an ein Nah- oder Fernwärmenetz oder der Ausbau eines solchen ist denkbar. Gleichwohl können die Heizsysteme über eine Absorptionskälteanlage für die hohen Kühlbedarfe in den Krankenhäusern eingesetzt werden. Die Kosten für eine technologieoffene Umstellung der Heizungsanlage belaufen sich für eine Einrichtung mit 300 Betten auf durchschnittlich eine Million Euro. Im Einzelfall kann es jedoch auch wesentlich teurer kommen. So kostete die Sanierung der Wärmeenergieversorgung bei den Rheinischen Kliniken Bonn etwa 4,5 Millionen Euro.

Gebäudehüllen (5 bis 10 Jahre)

Eine der wichtigsten und effektivsten Maßnahmen zur Reduzierung des Energiebedarfs besteht in einer guten Dämmung der Gebäudehülle, also der Dächer und Fassaden einschließlich der Fenster (Dreifachverglasung). Dadurch wird nicht nur der Wärmebedarf verringert, sondern gleichzeitig der sommerliche Wärmeschutz, der durch den Klimawandel immer wichtiger wird, verbessert, was auch zu einer effizienteren Kühlung beiträgt. Als Faustformel für die Kosten, um den aktuellen Wärmebedarf zu halbieren, geben die Gutachter 500 Euro pro Quadratmeter an. Weiterreichende Sanierungen mit stärkeren Einspareffekten gestalten sich entsprechend teurer.

LED-Beleuchtung (2 Jahre)

Eine überaus schnelle, aber gleichsam effektive Maßnahme zum Energiesparen ist das Austauschen alter ineffizienter Leuchtmittel gegen energiesparende LED-Leuchten. Besonders große Effekte lassen sich hier bei Leuchten erzielen, die praktisch permanent im Einsatz sind, wie etwa in Fluren oder Treppenhäusern. Durch die hohen Einsparungen amortisieren sich die Investitionen (ausgegangen wird von zehn Euro für ein Leuchtmittel) in diesem Bereich bereits innerhalb einiger Monate. Wird beispielsweise pro Bett eine Leuchtstoffröhre mit 60 Watt Leistung, die durchschnittlich sechs Stunden am Tag leuchtet, gegen eine LED mit 20 Watt Leistung ausgetauscht, lassen sich bei 100 Betten rund 8.800 kWh im Jahr einsparen.

Heizungspumpen (5 Jahre)

Auch der Wechsel von alten Heizungspumpen zu regulierten Hocheffizienzpumpen ist äußerst lohnend. Ältere Modelle haben einen Verbrauch von ca. 2.500 kWh pro Jahr, wohingegen Hocheffizienzpumpen nur auf 300 kWh kommen. Die Autoren des Gutachtens rechnen mit einem Austausch von zehn Pumpen pro 100 Betten. Die Investitionskosten beziffern sie auf rund 10.000 Euro, wobei durch die neuen Pumpen innerhalb eines Jahres bereits 4.400 Euro eingespart würden. Da Krankenhäuser allerdings unterschiedliche Systeme verwenden, müssen jeweils individuelle Lösungen gefunden werden.

Lüftungsanlagen (5 bis 10 Jahre)

Eine weitere Maßnahme für Energieeinsparungen im Wärmebereich ist die Einführung von dezentralen Lüftungsanlagen in allen Stationszimmern. Dabei hat die Einhaltung von Hygienestandards oberste Priorität. Neben einer Optimierung des Energieverbrauchs lässt sich hierdurch auch die Luftqualität verbessern. Die Kosten variieren stark und sind sehr viel geringer, wenn bereits eine Lüftungsanlage vorhanden ist. Ein möglicher Kostentreiber könnten Anforderungen an den Brandschutz sein. Im Durchschnitt dürften sich die Investitionskosten auf rund 1.000 Euro, die jährlichen Betriebskosten auf zehn Euro pro Bett belaufen.

Ohne Auto zum Krankenhaus (1 Jahr)

Die Verkehrswende ist ein wichtiger Baustein im Klimaschutz. Eine Maßnahme für klimaneutrale Krankenhäuser besteht daher darin, für jede fünfte Person, die dort beschäftigt ist, einen barrierefreien, witterungs- und diebstahlgeschützten Fahrradstellplatz zu schaffen. Zehn Prozent dieser Stellplätze sollten zudem mit Ladevorrichtungen für E-Bikes und Pedelecs sowie mit einem Schrankfach für Reserveakkus, Werkzeug und Ersatzteile ausgestattet sein. Darüber hinaus sollen alle Krankenhausangestellten in NRW ein öffentlich gefördertes, wohnortbezogenes ÖPNV-Ticket (mit einer Selbstbeteiligung von etwa 15 Euro) erhalten, um die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu unterstützen. Die einmaligen Kosten für die kompletten 52.200 Stellplätze werden mit 52,2 Millionen Euro (plus 522.000 Euro für die Schrankfächer) anberaumt. Die monatlichen Kosten für ÖPNV-Tickets für die 276.000 Krankenhausbeschäftigten in NRW beliefen sich auf 13,8 Millionen Euro.

Ausbau E-Mobilität (3 Jahre)

Als Anreiz für alle Krankenhausangestellten in NRW, für die weder Fahrrad noch ÖPNV eine Alternative zum Auto darstellen, soll (umgerechnet für jede zehnte Person) eine Möglichkeit zum Laden eines E-Autos auf den Beschäftigtenparkplätzen geschaffen werden. Daraus ergäben sich bei 27.600 Ladepunkten à 3.000 Euro einmalige Kosten in Höhe von 82,9 Millionen Euro.

Narkosegase (2 Jahre)

Vielen Anästhesisten ist dieser Fakt nicht bekannt, doch können Narkosegase rund 35 Prozent der Treibhausgasemissionen von Krankenhäusern ausmachen. Eine wichtige Klimaschutzmaßnahme besteht daher darin, den Einsatz dieser Gase zu minimieren. Eine wirksame Einzelmaßnahme ist hierbei etwa die Aufklärung des Fachpersonals durch Informationskampagnen. Entsprechende Aktionen ließen sich gut seitens eines Klimaschutzmanagements umsetzen. Einer Studie der University of Wisconsin zufolge konnten die Kohlendioxid-Äquivalent-Emissionen in einem Fall allein hierdurch um 64 Prozent gesenkt werden. Weiterhin lassen sich Emissionen durch andere Narkoseverfahren wie Spinal- oder intravenöse Anästhesie vermeiden. Zudem sollten nur Medikamente vorbereitet werden, die auch wirklich Verwendung finden. Oftmals wird weit mehr Narkosemittel aufgezogen, als tatsächlich verwendet wird.

Zweites Gutachten zu Finanzierung klimaneutraler Krankenhäuser

Neben dem Papier des Wuppertal Instituts wurde noch ein zweites Gutachten beim hcb Institute for Health Care Business (Essen) in Auftrag gegeben, das sich mit der Finanzierung klimaneutraler Krankenhäuser befasst. Die Autoren kommen darin zu dem Schluss, dass die Transformation zu klimaneutralen Kliniken eines eigens dafür geschaffenen Krankenhaus-Klimafonds bedarf.

Quellen

Gutachten zeigt Weg auf, wie Kliniken konkret zu Klimaneutralität beitragen können (Foto: Adam Eszes)
Gutachten zeigt Weg auf, wie Kliniken konkret zu Klimaneutralität beitragen können (Foto: Adam Eszes)