Seit 1. Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG, kurz Lieferkettengesetz) in Kraft. Damit werden Unternehmen ab einer bestimmten Größe neuerdings direkt für Menschenrechts- und Umweltschutzbelange zur Verantwortung gezogen, für die sie indirekt verantwortlich sind, nämlich innerhalb ihrer Lieferketten. Grundlage für das neue Gesetz sind die bereits 2011 erlassenen Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen bzw. der darauf basierende Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016. Da sich nur die wenigsten Unternehmen freiwillig an diese Richtlinien hielten, sorgt das Lieferkettengesetz nun für Verbindlichkeit. Von den darin geregelten Sorgfaltspflichten sind spätestens ab 2024 auch zahlreiche Krankenhäuser betroffen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Mit dem LkSG müssen viele Krankenhäuser bald Verantwortung für menschenrechtliche und umweltbezogene Belange in ihrer Lieferkette übernehmen.
- Das Gesetz gilt ab 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Angestellten.
- Zu den Sorgfaltspflichten zählen u. a. die Einrichtung eines Risikomanagements und eines Beschwerdeverfahrens.
- Bei Zuwiderhandlung können Bußgelder in Höhe von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes verhängt werden.
Das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ gilt seit Anfang 2023 zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitenden. Ab 2024 sinkt die Mindestgröße auf 1.000 Angestellte. Damit wird dann auch der Großteil der deutschen Krankenhäuser den im Gesetz geregelten umweltbezogenen und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen müssen. Ziel des Lieferkettengesetzes ist dabei die Stärkung von Menschenrechten und Umweltschutz wie
- Schutz vor Kinderarbeit,
- Zwangsarbeit und Diskriminierung,
- Schutz vor Landraub,
- Arbeits- und Gesundheitsschutz,
- das Recht auf faire Löhne,
- das Recht, Gewerkschaften zu bilden,
- sowie Schutz vor umweltrechtlichen Verstößen.
Sorgfaltspflichten im Lieferkettengesetz
Laut § 3 LkSG sind die folgenden Sorgfaltspflichten „in angemessener Weise zu beachten, mit dem Ziel, menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorzubeugen oder sie zu minimieren oder die Verletzung menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu beenden“:
- die Einrichtung eines Risikomanagements,
- die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit,
- die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen,
- die Abgabe einer Grundsatzerklärung,
- die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern,
- das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen,
- die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens,
- die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern und
- die Dokumentation und die Berichterstattung.
Die „angemessene Weise“, in der diese Pflichten beachtet werden sollen, wird anhand folgender Kriterien bestimmt:
- Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens,
- Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher eines menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risikos oder der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht,
- die typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzung, Umkehrbarkeit der Verletzung und Wahrscheinlichkeit der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht sowie
- die Art des Verursachungsbeitrages des Unternehmens zu dem menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiko oder zu der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht.
Risikomanagement im Krankenhaus gemäß LkSG
Aufgabe des Risikomanagements gemäß LkSG ist das Erkennen, Verhindern, Minimieren oder Beenden menschenrechtlicher oder umweltbezogener Risiken. Ein zentrales Werkzeug hierfür stellt die Risikoanalyse dar. In Bezug auf den eigenen Geschäftsbereich und sogenannte unmittelbare Zulieferer (solche, zu denen eine vertragliche Beziehung besteht) hat diese regelmäßig (jährlich) zu erfolgen. Bezüglich der übrigen Lieferkette sind Risikoanalysen hingegen nur anlassbezogen durchzuführen. Ein solcher Anlass besteht etwa bei Kenntnis (z. B. über das laut LkSG einzurichtende Beschwerdeverfahren, s. u.) einer potentiellen Verletzung der Sorgfaltspflichten bei mindestens einem Zulieferer oder wenn sich beispielsweise durch ein verändertes Einkaufsverhalten neue Risiken in der Lieferkette ergeben.
Eine Risikoanalyse kommt nicht ohne Aufwand. Alles beginnt dabei mit der Bemühung um Transparenz in den Lieferketten und einem Überblick über eigene Beschaffungsprozesse sowie die Struktur und Akteure in den Lieferbeziehungen eines Unternehmens. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales rät hier zu einem Risiko-Mapping nach „Geschäftsfeldern, Standorten, Produkten, Rohstoffen oder Herkunftsländern“. Im nächsten Schritt erfolgt eine Bewertung und ggf. eine Priorisierung der Risiken. Wichtig: Für die Sorgfaltspflichten besteht lediglich eine Bemühenspflicht. Das heißt, wenn z. B. aus nachvollziehbaren Gründen trotz Bemühung keine Transparenz in der Lieferkette geschaffen werden kann, handelt das Unternehmen dennoch LkSG-konform.
Beschwerdeverfahren nach LkSG
Laut § 8 LkSG ist ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einzurichten, das es Personen ermöglicht, auf menschenrechtliche respektive umweltbezogene Risiken oder Verletzungen hinzuweisen, die durch das wirtschaftliche Verhalten des Krankenhauses oder eines unmittelbaren Zulieferers hervorgehen. Unter bestimmten Umständen ist auch eine Beteiligung an einem externen Beschwerdeverfahren möglich. Hierzu muss das Krankenhaus u. a. eine öffentlich zugängliche Verfahrensordnung in Textform festlegen.
Dokumentations- und Berichtspflicht im Lieferkettengesetz
Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten (bzw. das Bemühen darum) muss nach § 10 LkSG fortlaufend dokumentiert werden. Hierzu ist jährlich ein Bericht zum vergangenen Jahr anzufertigen. Krankenhäuser müssen diesen über sieben Jahre aufbewahren und spätestens vier Monate nach Jahresabschluss für die gleiche Dauer auf der Firmenwebsite veröffentlichen.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen im LkSG
Werden vom Risikomanagement über die Risikoanalyse Risiken bei Zulieferern erkannt, sind nach § 6 LkSG angemessene Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört die Abgabe einer Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie des Unternehmens durch die Unternehmensleitung. Darin enthalten sind:
- eine Beschreibung, wie den Sorgfaltspflichten nachgekommen wird,
- die in der Analyse festgestellten prioritären menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken
- sowie die darauf bezogenen Erwartungen an die eigenen Beschäftigten und Zulieferer in der Lieferkette.
Stellt eine Klinik fest, dass im eigenen Geschäftsbereich oder bei einem unmittelbaren Zulieferer eine Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht „bereits eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht“, sind gemäß § 7 LkSG unverzüglich Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, „um diese Verletzung zu verhindern, zu beenden oder das Ausmaß der Verletzung zu minimieren“. Bei Verletzungen, die nicht in absehbarer Zeit beendet werden können, ist unverzüglich ein Konzept (inklusive konkretem Zeitplan) für deren Beendigung oder Minimierung zu erstellen und umzusetzen.
Bei Abhilfemaßnahmen gilt der Grundsatz „Befähigung vor Rückzug“. Das heißt, das LkSG bestärkt Unternehmen darin, zusammen mit Zulieferern oder innerhalb der Branche zunächst Lösungen gegen Missstände zu erarbeiten. Ein Rückzug aus der Geschäftsbeziehung ist erst dann geboten, wenn vier Punkte erfüllt sind:
- Eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte oder umweltrechtlicher Bestimmungen liegt vor.
- Die im Konzept erarbeiteten Maßnahmen haben nach Ablauf des Zeitplans keine Abhilfe bewirkt.
- Dem Unternehmen stehen keine anderen, milderen Mittel zur Verfügung.
- Eine Erhöhung des Einflussvermögens erscheint nicht aussichtsreich.
Bußgelder bei Zuwiderhandlung gegen das Lieferkettengesetz
Wer dem Lieferkettengesetz zuwider handelt, kann dafür hart bestraft werden. So drohen laut § 24 Bußgelder in Höhe von 800.000 Euro. Unternehmen, deren durchschnittlicher Jahresumsatz 400 Millionen Euro übersteigt, können gar mit einer Geldbuße von zwei Prozent des Jahresumsatzes belangt werden. Je nach Umsatz und verhängtem Strafmaß können straffällig gewordene Unternehmen zudem von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden (§ 23).
LkSG-Pflichten bieten Chancen für Abfallmanagement und Nachhaltigkeit
Die eingehendere Beschäftigung mit der Beschaffung in den Krankenhäusern durch das Lieferkettengesetz kann weitere positive Effekte nach sich ziehen, die sich auch auf das Abfallmanagement und die Nachhaltigkeit im Allgemeinen in den Einrichtungen auswirken. Hier bietet sich sozusagen die Möglichkeit, bewusster und somit ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltiger einzukaufen. Mit dem Beschwerdeverfahren wird ferner ein wichtiges Instrument zur arbeits- und umweltrechtlichen (und damit auch abfallrechtlichen) Compliance etabliert. Aufgrund der großen Schnittmenge mit für die ebenfalls verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung relevanten Themen ist zudem davon auszugehen, dass sich die Dokumentations- und Berichtspflicht des LkSG zumindest ein Stück weit mit dem Nachhaltigkeitsreporting koppeln lässt.
Quellen
- buzer.de: Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG)
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referat "CSR": Wirtschaft und Menschenrechte: Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referat "CSR": Wirtschaft und Menschenrechte: Fragen und Antworten zum Lieferkettengesetz
- GHX Blog: Lieferkettengesetz unter der Lupe: Welche Auswirkungen hat das Gesetz für die Supply Chain im Gesundheitswesen?