Der immense Rohstoffbedarf moderner Gesellschaften gehört zu den größten Treibern des Klimawandels und fortschreitender Umweltzerstörung. Gleichsam ist die Gewinnung und Nutzung immer neuer Ressourcen teuer und mit Abhängigkeiten in den Lieferketten verbunden. Die scheidende Bundesregierung verfolgt daher das Ziel einer zirkulären Wirtschaft, in der Rohstoffe möglichst lange im Stoffkreislauf verweilen und wiederverwendet werden sollen. Zu diesem Zweck wurde am 4. Dezember 2024 die lange angekündigte Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) verabschiedet. Darin werden nun u. a. konkrete Ziele und Maßnahmen zu verschiedenen Querschnittsthemen und Handlungsfeldern definiert. Mögliche Auswirkungen auf den Gesundheitssektor hängen davon ab, inwieweit die Strategie auch tatsächlich umgesetzt wird.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Am 4. Dezember 2024 wurde die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie verabschiedet.
- Hauptziele sind die Schließung von Stoffkreisläufen, die Erhöhung von Rohstoffsouveränität und Rohstoffversorgungssicherheit sowie die Vermeidung von Abfällen.
- Kritisiert wird u. a. das Fehlen von Verbindlichkeit, fairen Regeln und verlässlichen Rahmenbedingungen.
- Auswirkungen auf den Gesundheitsbetrieb hängen von der tatsächlichen Umsetzung der NKWS ab.
Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) ist kein deutscher Alleingang. Die darin avisierten Ziele sind im Großen und Ganzen an bestehende Zielsetzungen der Europäischen Union angelehnt. Dementsprechend orientiert sich die NKWS auch bei ihrem Begriff von Kreislaufwirtschaft nicht am deutschen Sprachgebrauch (mit Fokus auf Vermeidung und Wiederverwendung – wie etwa im Kreislaufwirtschaftsgesetz), sondern am europäischen „Circular Economy“-Leitbild, wie es im EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft festgehalten ist. Kreislaufwirtschaft umfasst in diesem Sinne alle Wertschöpfungsphasen eines Produkts – vom Produktdesign bis zur Wiederverwendung als Recyclingrohstoff.
Leitbild und Ziele der NKWS
Die deutsche Regierung betrachtet die Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft als eine zentrale Voraussetzung für das Erreichen verschiedener Ziele, die teilweise auch bereits gesetzlich verankert oder in anderen Strategien festgelegt sind. Zu diesen gehören sowohl Klimaschutz, Nachhaltigkeit (gemäß Deutscher Nachhaltigkeitsstrategie), der Erhalt der Artenvielfalt und die Reduzierung der Umweltverschmutzung als auch die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Um eine zirkuläre Wirtschaft zu schaffen, die bestmöglich darauf einzahlt, definiert die NKWS in Kapitel 2 eine Reihe von Leitlinien, die in einem Leitbild und drei übergeordneten Zielen zusammenfließen.
Leitbild: Senkung des Primärrohstoffverbrauchs
Zielgröße für die Senkung des Primärrohstoffverbrauchs sind sechs bis acht Tonnen pro Kopf und Jahr bis 2045. Ab 2030 soll hierfür das Leitbild alle fünf Jahre unter Beteiligung der Wirtschaft nach Gesichtspunkten wie der Entwicklung von Rohstoffbedarfen, Rohstoffkosten und -verfügbarkeiten oder stoffstromspezifischen Rahmenbedingungen evaluiert werden.
Ziel 1: Schließung von Stoffkreisläufen
Im Einklang mit den EU-Zielen sieht die NKWS bis 2030 eine Verdopplung des Anteils von Sekundärrohstoffen (Recyclingrohstoffen) an der Gesamtmenge aller genutzten Rohstoffe im Vergleich zu 2021 vor. Hierzu soll insbesondere die Qualität bislang unzureichender Recyclingprozesse deutlich erhöht werden.
Ziel 2: Erhöhung von Rohstoffsouveränität und Rohstoffversorgungssicherheit
Auch hier orientiert sich die NKWS an den Zielen der EU bzw. in diesem Fall am Critical Raw Material Act (CRMA). Demnach soll die EU in der Lage sein, zehn Prozent an strategischen Rohstoffen selbst produzieren sowie 40 Prozent des Bedarfs an weiterverarbeiteten Rohstoffprodukten selbst decken zu können. Bis 2030 soll die EU in der Lage sein, 25 Prozent der strategischen Rohstoffe über ihre Recyclingkapazität zu decken. Außerdem sollen nicht mehr als 65 Prozent eines Rohstoffs aus einem einzigen Drittland bezogen werden.
Ziel 3: Vermeidung von Abfällen
Die jährliche Menge der Siedlungsabfälle pro Kopf soll bis 2030 um zehn sowie bis 2045 um 20 Prozent sinken. Der Ausgangswert von 2020 liegt bei 613 kg, wonach sich die Zielwerte auf etwa 550 kg für 2030 bzw. ca. 390 kg für 2045 belaufen. Um diese Ziele zu erreichen, liegt der Fokus der Strategie auf elf prioritären Handlungsfeldern, zu denen u. a. diezirkuläre Produktion, Erneuerbare Energien, der Bau und Gebäudebereich, Kunststoffe sowie Mobilität gehören. Gleichsam spielt die Abfallvermeidung eine entscheidende Rolle. Die Strategie sieht zudem vor, 25 Prozent des Bedarfs an strategischen Rohstoffen bis 2030 durch Sekundärrohstoffe zu decken. Kliniken sind von diesen Maßnahmen direkt bzw. indirekt betroffen und damit verpflichtet, entsprechende Maßnahmen in die Wege zu leiten.
Querschnittsthemen
In Kapitel 3 fasst die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie elf allgemeine Querschnittsthemen ins Auge. Das Erste davon umfasst die sogenannten R-Strategien. Gemeint ist damit die zehnstufige R-Leiter, eine erweiterte bzw. abgewandelte Form der aus dem KrWG bekannten Abfallhierarchie: refuse (Vermeiden), rethink (Umdenken), reduce (Reudzieren), reuse (Wiederverwenden), repair (Reparieren), refurbish (Instandsetzen), remanufacture (Wiederverwendung gebrauchter Bauteile), repurpose (Weiterverwendung/Umnutzung/Upcycling), recycle (Recycling), recover (Energierückgewinnung). Je nach Handlungsfeld (siehe unten) sollen passende R-Strategien genutzt werden, um Geschäftsmodelle, beginnend beim Produktdesign, zirkulär auszurichten und „globale Wertschöpfungs- und Lieferketten nachhaltig zu transformieren“.
Zu jedem der übrigen zehn Querschnittsthemen werden – neben einer Beschreibung des Status quo – Ziele und Maßnahmen zu deren Umsetzung formuliert:
Produktgestaltung für Zirkularität und Langlebigkeit
- Ziele: Ambitionierte rechtliche Mindestanforderungen auf EU-Ebene; Verbesserung der Rahmenbedingungen für kreislauffähige Produkte und Geschäftsmodelle; Orientierung für Hersteller durch die Definition freiwilliger ökologischer Produktstandards
- Maßnahmen: Berufsfelder stärken; regulatorische Maßnahmen / Produktstandards setzen (u. a. Digitaler Produktpass – DPP); Forschungsförderung
Nachhaltiger Konsum und Handel
- Ziele: Reduzierung des konsumbezogenen Treibhausgasausstoßes pro Person um mind. 50 Prozent bis 2030 (ausgehend von 2010); kontinuierliche Minderung des Rohstoffeinsatzes für den Konsum privater Haushalte; Steigerung des Marktanteils umweltfreundlicher Produkte auf mind. 34 Prozent (2022: 13,9 %)
- Maßnahmen: Stärkung von Umweltzeichen und der Transparenz bei Umweltaussagen; Förderung von Reparaturen; Verringerung negativer Umweltauswirkungen des Online-Handels
Normung
- Ziele: Europäisch und international gedachte Normungsarbeit zur Verhinderung evtl. aufkommender Handelshemmnisse
- Maßnahmen: Umsetzung der Normungsroadmap CIRCULAR ECONOMY (u. a. DPP, Design 4 Clarity, Nachhaltigkeitsbewertungen von Produkten); Beteiligung an europäischen und internationalen Normungsprozessen; Circular Cities and Regions Initiative; Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln der Transformation zur Kreislaufwirtschaft
Ökonomische Instrumente und Finanzierung
- Ziele: Berücksichtigung von Umwelt- und Klimakosten für Gewinnung, Nutzung und Entsorgung von Rohstoffen bei Marktpreisen; Berücksichtigung des globalen Wettbewerbs bei ökonomischen Anreizen
- Maßnahmen: Mobilisierung privater Investitionen in Richtung zirkulärer Wirtschaft; Aufsetzung eines Rohstofffonds; Anreizsysteme für eine verbesserte Kreislaufführung; staatliche Anschubfinanzierung zur Rückgewinnung von kritischen Rohstoffen und Technologiemetallen; Pilotaktionen „Rural Circular Regions“ und Reallabore; Circular Cities and Regions Initiative; Zugang zu Finanzierungsmitteln der Transformation zur Kreislaufwirtschaft erleichtern; Schaffung von Anreizen für private Investitionen in die Kreislaufwirtschaft; Weiterentwicklung von Finanzmarktinstrumenten; „globalen Süden“ mitdenken
Schadstoffausschleusung
- Ziel: Stärkung des Kreislaufprinzips in einer schadstofffreien Umwelt gemäß European Green Deal
- Maßnahmen: Ausschluss von Schadstoffen in Produkten; Verbesserung des Informationsflusses entlang des Lebenszyklus von Produkten
Zirkuläre Bioökonomie und biogene Rohstoffe
- Ziele: Biogene und biotechnologisch nutzbare Rohstoffe möglichst lange im Kreislauf halten; gezielte Förderung von Produkten und Verfahren aus dem Bereich industrieller Bioökonomie; Fokus auf Reparierbarkeit und Recycling bei der Produktentwicklung; optimale Nutzung der Potenziale biogener Reststoffe aus der primären land- und forstwirtschaftlichen Produktion durch gezielte Bewirtschaftung
- Maßnahmen: Führung und Wiedergewinnung lebensnotwendiger Nährstoffe in regionalen Kreisläufen; Nutzung biogener Rohstoffe sowie Abfall- und Reststoffe für die Herstellung von Produkt- und Materialalternativen; Entwicklung von Indikatoren für eine zirkuläre Bioökonomie; Förderung von Produkten und Verfahren der industriellen Bioökonomie; Umstellung der Rohstoffbasis der Industrie
Globale Stoffströme
- Ziele: Begrenzung von Rohstoffimporten aus einem einzigen Drittland auf 65 Prozent; Stärkung von Kapazitäten in Partnerländern zur nachhaltigen Gewinnung und Nutzung von Sekundärrohstoffen; Unterstützung von Partnerländern beim Aufbau wirtschafts- und industriepolitischer Kapazitäten; Schließung von relevanten Datenlücken zum Export von Produkten mit kritischen Rohstoffen (Fahrzeuge, Elektronikprodukte) sowie des Imports bzw. der Herkunft von kritischen Rohstoffen bis 2030
- Maßnahmen: Aufbau von Kapazitäten zur Gewinnung und Nutzung von Sekundärrohstoffen; Förderung zirkulärer Stoffströme mit Handelspartnern; erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) mit Sorgfaltspflicht
Forschung und Entwicklung
- Ziele: Forschung und Innovation ressortübergreifend voranbringen; Transfer und schnelle Skalierung von F&E-Ergebnissen; Beförderung des Transfers in Bildungs- und Weiterbildungsangebote
- Maßnahmen: u. a. BMUV-Umweltinnovationsprogramm; Förderprogramm DigiRess; Verstetigung und Weiterentwicklung des Sonderpreises „Ressourcenschonung und Ressourceneffizienz – Jugend forscht“; KI-Leuchtturminitiative des BMUV; Verbesserung der Finanzierung; Digitalisierung für mehr zirkuläre Produktion; umweltgerechte Erschließung und Nutzung biogener Rohstoffe; Optimierung der Entsorgung von PV-Anlagen; Verbesserung und Kapazitätsaufbau der Metallrecyclingprozesse; Technologietransfer-Programm Leichtbau; internationale Forschungskooperationen
Qualifizierung
- Ziele: Anpassung von Ausbildungsstrukturen und -inhalten in der Berufsbildung an die geänderten Anforderungen zirkulären Wirtschaftens; stärkere Vernetzung relevanter Akteurinnen und Akteure der Bildungslandschaft; Ausbau und Verstetigung von Qualifizierungs-, ergänzenden Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Beratungsangeboten durch verschiedene Bildungsträger; Entwicklung und Verstetigung von Schulungs- und Informationsangeboten in der Erwachsenenbildung u. a.
- Maßnahmen: Stärkung von Kompetenzprofilen in Lehrplänen und Studienordnungen sowie Förderung neuer Berufsbilder; Anpassung von Rahmenlehrplänen für die Kreislaufwirtschaft; Unterstützung des interdisziplinären Austauschs zwischen Einrichtungen und Akteurinnen und Akteuren der Bildungslandschaft; Förderung und Stärkung von Fort- und Weiterbildungsangeboten für Mitarbeitende in Unternehmen und Beratende
Abfälle vermeiden und verwerten
- Ziele: Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft (meint in diesem Fall die Entsorgungswirtschaft) und des Kreislaufwirtschaftsrechts; u. a. hochwertiges Recycling von Altgeräten; bessere Nutzung der Recyclingpotenziale gewerblicher Abfälle; klare Regelungen für Definition von Abfall und Nicht-Abfall; erweiterte Herstellerverantwortung
- Maßnahmen: Betrachtung und Regelung weiterer Abfallströme und deren Getrennthaltung (z. B. Reifen, Bodenbeläge); verstärkte Getrenntsammlung von Abfällen; Bewusstsein für Abfallvermeidung stärken, z. B. durch Ausbau kommunaler Informationsangebote; Weiterentwicklung der SCIP-Datenbank; Harmonisierung des Abfallrechts mit dem Recht für Nicht-Abfälle; Überprüfung bestehender Regelungen auf ihre Vollzugstauglichkeit und Bereitstellung ausreichender personeller Kapazitäten im Vollzug
Prioritäre Handlungsfelder
Neben den Querschnittsthemen definiert die NKWS sogenannte prioritäre Handlungsfelder. Dabei handelt es sich um Bereiche, „für die aufgrund bedeutender Massenströme oder eines hohen Potentials für die Kreislaufwirtschaft zuerst Maßnahmen ergriffen werden sollen“. Diese sind:
- Digitalisierung und Circular Economy
- Zirkuläre und ressourceneffiziente Produktion
- Fahrzeuge und Batterien, Mobilität
- IKT und Elektro(nik)geräte
- Erneuerbare-Energien-Anlagen
- Bekleidung und Textilien
- Bau- und Gebäudebereich
- Metalle
- Kunststoffe
- Öffentliche Beschaffung
Chancen und Kritik
Eine umfassende Umstellung auf ein zirkuläres Wirtschaftssystem, wie es die NKWS vorsieht, dürfte auch spürbare Auswirkungen auf Einrichtungen des Gesundheitswesens haben. So wären etwa langlebigere und schadstoffärmere Medizinprodukte zu erwarten. Gleichwohl dürfte sich durch diese neuen Produkte, aber auch durch die verstärkte Anwendung der R-Strategien das Abfallmanagement in Krankenhäusern verändern.
Ob und wie schnell sich dieser Wandel vollziehen wird, bleibt allerdings abzuwarten. Dass es sich bei der angestrebten konsequenten Kreislaufwirtschaft um ein lohnendes Ziel handelt, daran zweifelt wohl niemand. Anders sieht es aber bei der Verwirklichung aus. Momentan fehle der Strategie noch jede Verbindlichkeit, bemängelt etwa die Deutsche Umwelthilfe. Verbände wie der bvse (Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V.) bezeichnen sie als zu allgemein und vermissen konkrete nationale Maßnahmen. Zudem fehlten klare und faire Regeln und verlässliche Rahmenbedingungen. Es wird also noch einiges zum Nachjustieren für die neue Bundesregierung geben.
Quellen
- Kreislaufwirtschaftsstrategie Deutschland: Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie
- BMUV: Bundeskabinett verabschiedet Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie
- Abfallmanager Medizin: Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie. Rahmenstrategie für neue Kreislaufwirtschaft
- EU Recycling: Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie – ein Schritt nach vorn?
- Heinrich-Böll-Stiftung: Der Weg zu einer global gerechten zirkulären Wirtschaft