Medizinforschungsgesetz (MFG) Gesetz zur Stärkung klinischer Forschung in Deutschland

Laborsitutation - verschiedene Menschen in Schutzausrüstung untersuchen Proben. (Foto: Andrii Zastrozhnov)
Mit zahlreichen Gesetzesänderungen durch das Medizinforschungsgesetz soll die klinische Forschung und damit auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland verbessert werden. (Foto: Andrii Zastrozhnov)

Nach Ansicht der Bundesregierung hinkt die klinische Forschung in Deutschland im internationalen Vergleich aktuell hinterher. Um dies zu ändern und die Bundesrepublik wieder zu einem Spitzenstandort für medizinische Studien zu machen, hat der Bundestag am 4. Juli 2024 das Medizinforschungsgesetz (MFG) verabschiedet. Dieses soll insbesondere Genehmigungsverfahren für klinische Studien beschleunigen und die Studien selbst so „deutlich besser, billiger und schneller“ machen. Einige der vorgesehenen Änderungen stoßen jedoch auf Kritik. Vor allem die Einführung vertraulicher Erstattungsbeiträge wird von mehreren Seiten kritisch betrachtet. Auch ob das Gesetz seiner Zielsetzung gerecht wird, ist umstritten. Welche Auswirkungen es auf das Abfallmanagement in Krankenhäusern hat, bleibt abzuwarten.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Das Medizinforschungsgesetz soll die klinische Forschung in Deutschland verbessern.
  • Zur Umsetzung sind zahlreiche Maßnahmen vorgesehen, unter anderem im Strahlenschutz.
  • Vor allem Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden.
  • Stark umstritten ist die Einführung vertraulicher Erstattungspreise.
  • Auswirkungen auf das Abfallmanagement durch das MFG sind schwer absehbar.

Die Stärkung der hiesigen Medizinforschung soll direkt den Patientinnen und Patienten zugutekommen. Laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sei etwa die Wahrscheinlichkeit für eine Frau mit austherapiertem Brustkrebs, sozusagen als letzte Hoffnung noch an einer klinischen Studie teilzunehmen, in Deutschland zehnmal geringer als in Dänemark. Dem Minister zufolge wird das neue Gesetz nicht nur die Forschung, sondern gleichsam die Überlebenschancen solcher schwerkranken Menschen verbessern.

Maßnahmen zur Verbesserung klinischer Forschung in Deutschland

Um diese Ziele zu erreichen, sieht das neue Gesetz verschiedene Maßnahmen vor:

  • Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den Arzneimittelzulassungsbehörden,
  • Beschleunigung der Bewertung mononationaler klinischer Prüfungen,
  • Ermöglichung dezentraler klinischer Prüfungen außerhalb der Prüfzentren,
  • Vereinfachung der Kennzeichnung von Prüf- und Hilfspräparaten,
  • Veröffentlichung von Standardvertragsklauseln für klinische Prüfungen,
  • Einrichtung einer unabhängigen „spezialisierten Ethik-Kommission“ für besonders komplexe oder eilige Verfahren,
  • Spezialisierung der Ethik-Kommissionen der Länder auf bestimmte Verfahrenstypen,
  • Richtlinienbefugnis für den Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen (AKEK),
  • Harmonisierung der Auslegungspraxis der Länder hinsichtlich Herstellungserlaubnis und Prüfung bestimmter Arzneimittel durch Empfehlungen des Bundes,
  • Möglichkeit für Unternehmer, vertrauliche Erstattungsbeträge bei neuen Arzneimitteln zu vereinbaren.

Weitere Maßnahmen betreffen konkrete Regelungen zum Strahlenschutz. So ist etwa eine Harmonisierung der strahlenschutzrechtlichen Anzeige- und Genehmigungsverfahren mit den arzneimittel- und medizinproduktrechtlichen Verfahren vorgesehen. Strahlenschutzrechtliche Anträge und Anzeigen für Forschungsvorhaben, die gleichsam arzneimittel- oder medizinproduktrechtlich geprüft werden müssen, können künftig bei den gleichen Portalen („Single-Gate“) eingereicht werden. Darüber hinaus werden strahlenschutzrechtliche Prüffristen verkürzt und nuklearmedizinische Einrichtungen bei der Herstellung radioaktiver diagnostischer Präparate von der Erlaubnispflicht befreit.

Zahlreiche Gesetzesänderungen durch das Medizinforschungsgesetz

Um die entsprechenden Maßnahmen zu ermöglichen, sieht das Medizinforschungsgesetz zahlreiche Änderungen in bestehenden Gesetzen vor. Insbesondere das Arzneimittelgesetz (AMG) und das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) werden stark angepasst. Weitere Modifikationen betreffen zudem das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG), das Gesetz über Rabatte für Arzneimittel (AMRabattG), das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung), die Klinische Prüfung-Bewertungsverfahren-Verordnung (KPBV), die Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) sowie die Kostenverordnung zum Atomgesetz und zum Strahlenschutzgesetz (AtSKostV).

Teil der Nationalen Pharmastrategie

Das Medizinforschungsgesetz bildet eines der wichtigsten Instrumente zur Umsetzung der Nationalen Pharmastrategie der Bundesregierung. Diese wurde im Dezember 2023 in dem Strategiepapier „Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland“ dargelegt und umfasst sieben Kernziele:

  • Beschleunigung klinischer Prüfungen,
  • Stärkung der Zulassungsstrukturen,
  • Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen,
  • Anreize für Pharmaproduktion,
  • Verbesserung der europäischen Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung,
  • Förderung von Innovations- und Forschungsprojekten sowie
  • verlässliche Rahmenbedingungen für Pharmafirmen.

Neben dem MFG sind unter anderem auch das Digital-Gesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) Teil der Strategie.

Kritik am Medizinforschungsgesetz

Einige Punkte im Medizinforschungsgesetz sind umstritten, allen voran die Einführung vertraulicher Erstattungspreise. Bisher waren die mit den Krankenkassen ausgehandelten Preise für ein neues Medikament öffentlich und galten in zahlreichen Ländern daher als Referenzwert für die dortige Preisgestaltung und eventuelle Rabatte. Der aus Deutschland bekannte Preis wird damit sozusagen zur unverbindlichen Preisempfehlung für alle. Ist der Erstattungsbetrag hingegen vertraulich, sei der Argumentation der Bundesregierung nach die Bereitschaft der Pharmaunternehmen zu stärkeren Preisnachlassen höher, weil sie international einen größeren Spielraum in der Preisgestaltung hätten. Die Krankenkassen befürchten statt besseren Rabatten jedoch eine Mehrbelastung von bis zu 30 Milliarden Euro, weil Ärztinnen und Ärzte bei vertraulichen Preisen eher die teureren Originalmedikamente verschrieben als günstigere Nachahmerprodukte.

Wasser auf die Mühlen der Kritiker ist auch ein bemerkenswerter Sinneswandel: 2016 hatte sich Karl Lauterbach – damals SPD-Gesundheitsexperte in der großen Koalition – noch entschieden gegen vertrauliche Erstattungsbeträge ausgesprochen. Als Grund für den Umschwung in seiner Haltung in der Sache sehen Kritiker die Ansiedlung des US-amerikanischen Pharmakonzerns Eli Lilly. Der Branchenriese will für 2,3 Milliarden Euro eine Fabrik in Alzey bauen und rund 1.000 neue Arbeitsplätze schaffen – und stand diesbezüglich in den letzten Monaten immer wieder in engem Kontakt mit der Bundesregierung und Karl Lauterbach.

Von vertraulichen Erstattungspreisen würde Eli Lilly direkt profitieren: Das Unternehmen vertreibt ein nicht verschreibungsfähiges (weil kosmetisches) Mittel zur Gewichtsreduzierung. Zugleich will der Pharmariese demnächst ein neues Diabetesmedikament mit dem identischen Wirkstoff auf den Markt bringen. Transparente Erstattungsbeträge hierfür könnten sich für Eli Lilly nachteilig auf die womöglich viel teurer vermarkteten Abnehmspritzen auswirken. Kritiker nennen das Gesetz deshalb auch Lex Lilly – weil die Bundesregierung es mutmaßlich auf die Bedürfnisse des Großkonzerns zugeschnitten hat.

Neben derlei Anschuldigungen gab es allerdings auch Bedenken innerhalb der Regierungskoalition, weshalb beim ursprünglichen Gesetzesentwurf nachgebessert wurde. So gilt die neue Vertraulichkeit zunächst nur bis zum 30. Juni 2028. Machen Unternehmen von ihr Gebrauch, müssen sie automatisch neun Prozent Rabatt auf den zuvor ausgehandelten Preisgeben. Wichtig für den Forschungsstandort Deutschland: Nur Pharmaunternehmen mit einer Arzneimittelforschungsabteilung und nachweislich „relevanten eigenen Projekten und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung“ in der Bundesrepublik können ihre Erstattungspreise vertraulich behandeln. Ende 2026 soll diese Regelung evaluiert werden. Nach Befinden der CDU sei das alles jedoch zu kompliziert und nicht praxistauglich.

Eine Bevorzugung von in Deutschland forschenden Unternehmen soll es auch beim sogenannten AMNOG-Verfahren (Arzneimittelneuordnungsgesetz) zur Preisregulierung innovativer Arzneimittel geben. Für solche Pharmaunternehmen sind künftig Ausnahmen von den Preissenkungsmechanismen der „Leitplanken“ vorgesehen. Auch hier befürchten die Krankenkassen Kostensteigerungen.

Darüber hinaus wird die Einrichtung einer Bundesethikkommission kritisiert. Nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion schwäche dies die Landesethikkommissionen. Zudem sei die geplante spezialisierte Ethik-Kommission nicht unabhängig, da sie an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angebunden und somit dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt sei.

Auswirkungen auf das Abfallmanagement im Gesundheitswesen

Größere Auswirkungen auf das Abfallmanagement im Gesundheitswesen dürfte das Gesetz wohl nicht zeitigen. Sollte der Plan der Bundesregierung aufgehen und das MFG mehr klinische Forschung nach sich ziehen, könnte allerdings ein höheres Abfallaufkommen in Laboren und anderen Forschungseinrichtungen die Folge sein. Ob jedoch der gewünschte Effekt auch wirklich eintritt, ist, wie gesagt, umstritten und bleibt zunächst abzuwarten.

Quellen

Laborsitutation - verschiedene Menschen in Schutzausrüstung untersuchen Proben. (Foto: Andrii Zastrozhnov)
Mit zahlreichen Gesetzesänderungen durch das Medizinforschungsgesetz soll die klinische Forschung und damit auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland verbessert werden. (Foto: Andrii Zastrozhnov)