Menschen, deren Abwehrsystem durch eine chronische Grunderkrankung oder durch die Verabreichung bestimmter Medikamente geschwächt ist, müssen vor Infektionen besonders geschützt werden. Infektionen, die beim gesunden Menschen nicht vorkommen oder harmlos verlaufen und von selbst abheilen, können für Patienten mit stark geschwächtem Abwehrsystem – man spricht hier von „hochgradig immunsupprimiert“ – lebensbedrohliche Konsequenzen haben.
Die im Februar 2021 erschienene KRINKO-Empfehlung „Anforderungen an die Infektionsprävention bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten“ ersetzt die „Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten“ aus dem Jahr 2010. Das Management der Pandemie durch das neue SARS-CoV-2-Coronavirus ist nicht berücksichtigt. Abfallmanager Medizin fasst die wesentlichsten Punkte der Empfehlung zusammen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Schulungen in Basishygienemaßnahmen für das Personal sowie für die Patienten selbst und deren Angehörige können bereits einen großen Beitrag zur Risikominimierung leisten.
- Immunsupprimierte Patienten sollten auf Stationen mit speziellen räumlichen Voraussetzungen untergebracht werden.
- Um Kontamination durch Wasser zu vermeiden, werden verschiedene Maßnahmen sowohl beim Trinkwasser als auch den Sanitäranlagen empfohlen.
Gemäß § 23 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erstellt die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen sowie zu betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Maßnahmen der Hygiene in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen. Immunsupprimierte Patienten benötigen besondere hygienische Maßnahmen aufgrund ihrer erhöhten Infektionsgefährdung. Im Mittelpunkt stehen konkrete Empfehlungen zur Vermeidung nosokomialer Infektionen in Gesundheitseinrichtungen, die Patienten mit Immunsuppression behandeln.
Unter dem Begriff „Immunsuppression“ wird die Unterdrückung bestimmter Komponenten des körpereigenen Immunsystems verstanden. Die daraus resultierende Immundefizienz ist entweder aus medizinischen Gründen erforderlich (z. B. bei bestimmten Autoimmunerkrankungen oder zur Vermeidung einer Abstoßungsreaktion nach Stammzell- oder Organtransplantation) oder eine Nebenwirkung der medizinischen Behandlung (z. B. nach zytostatischer Chemotherapie, Strahlentherapie). Ein wesentliches Merkmal der Immundefizienz ist eine Schwächung der Abwehrfunktion des Körpers, also der Fähigkeit, sich gegen eindringende Krankheitserreger zu wehren.
Mit den „Anforderungen an die Infektionsprävention bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten“ werden bereits bestehende KRINKO-Empfehlungen um spezielle Aspekte in Hinblick auf die medizinische Behandlung der immunsupprimierten Patienten ergänzt. Ziel dieser aktualisierten Empfehlung ist es, häufig auftretende nosokomiale Infektionen nach Möglichkeit zu vermeiden und die Patientensicherheit zu erhöhen.
Im ersten Teil der Empfehlung erfolgt die Einteilung der Risikogruppen, die zur vorherigen Version nicht verändert worden ist. Die Patienten werden je nach Grad der Immunsuppression in drei Risikogruppen unterschieden, die in erster Linie der Anpassung erforderlicher Hygienemaßnahmen dienen.
Prävention durch Hygienemaßnahmen
Der zweite Teil bildet das Kernstück. Hier spielt im Kapitel 2.1 die Prävention eine wesentliche Rolle. Die Schulung der Mitarbeiter sowie der Patienten selbst und deren Angehörigen sind hier geregelt. Es wird empfohlen, die Patienten sowie deren Besucher oder Begleitpersonen aktiv in die Infektionsprävention einzubeziehen, um etwa auf die besondere Bedeutung der Hände als Übertragung von Krankheitserregern hinzuweisen oder Infektionen durch Lebensmittel oder Kontakt zu Nutz- oder Haustieren zu vermeiden.
Zudem sind Arbeitgeber laut Empfehlungen berechtigt, den Impfstatus, inklusive der jährlichen Influenzaimpfung, ihrer Mitarbeiter zu erheben und diese als Grundlage für deren Einsatz zu nutzen. Ärzte sollten, je nach Therapiesituation und Risiko, zudem auf einen vollständigen Impfschutz der Patienten und deren Besucher aktiv hinarbeiten.
Der nächste, größere Abschnitt ab Kapitel 2.1.5 widmet sich den Basishygienemaßnahmen. Das Ziel geeigneter Maßnahmen muss sein, das Infektionsrisiko dieser Patienten effektiv zu minimieren. Die Maßnahmen umfassen die Erarbeitung angepasster Hygienestandards, deren Umsetzung in die Praxis sowie die Surveillance (Überwachung) relevanter Infektionen.
Besonderes Augenmerk liegt auf der Handhygiene, unter anderem darauf, betroffene Stationen und Spezialambulanzen mit einer ausreichenden Anzahl patientennaher, fest installierter Spender für Handdesinfektionsmittel auszustatten. Auch der Aspekt der Schutzkleidung einschließlich möglicher Schutzmasken für medizinisches Personal und Besucher sowie auch die Reinigung und Desinfektion von Flächen werden in diesem Abschnitt behandelt. Eine konzeptionelle Einbeziehung von Krankenhaushygienikern und dem für Hygiene zuständigen Personal wird empfohlen.
Sollten Patienten mit einer Immundefizienz isoliert werden müssen, sind die Ausstattungen der Räumlichkeiten wie etwa der Zugang zu Sanitäranlagen, Schleusenbereiche oder Unterbringungsmöglichkeiten eines Elternteils bei pädiatrischen Patienten je nach Risikoerhebung durch die zuständigen Mediziner klar geregelt.
Baulich-funktionelle Maßnahmen
Ab Abschnitt 2.1.12 beschreibt baulich-funktionelle Maßnahmen. Als hygienisch sensible Bereiche mit erhöhtem Infektionsrisiko sollten Intensivstationen und Stationen, auf denen immunsupprimierte Patienten behandelt werden, räumlich, organisatorisch und personell von anderen Stationen bzw. vom übrigen Krankenhaus getrennt sein. Oberflächen inklusive des Fußbodens müssen leicht zu reinigen sein, das heißt, dass bspw. Stoffpolstermöbel, Teppichböden sowie auch Topfpflanzen für die Ausstattung solcher Stationen ungeeignet sind.
Um bei gefährdeten Patienten etwa Fadenpilzinfektionen zu vermeiden, sollten diese in Räumen mit sogenannten Schwebstofffiltern (HEPA-gefilterte Luft) und Schleusen für entsprechende Luftbilanzen untergebracht werden. Mit Hilfe dieser Filter werden z. B. Bakterien und Viren, Pollen, Milbeneier und -ausscheidungen, Stäube, Aerosole und Rauchpartikel reduziert. Raumluftbefeuchter oder andere technische Geräte, die potenziell kontaminierte Aerosole abgeben oder Staub aufwirbeln, dürfen dagegen nicht verwendet werden.
In der Nähe von Abteilungen, die hochgradig immunsupprimierte Patienten behandeln, dürfen keine Kompostieranlagen oder andere Anlagen zur Müllverarbeitung angesiedelt werden, da diese massenhaft Pilzsporen emittieren können.
Bei Umbau- oder Abrissmaßnahmen ist der Schutz genannter Patienten besonderes schwierig, sodass nach Möglichkeit eine Verlegung in weiter entfernte Stationen empfohlen wird. Ist das nicht möglich, sollten Bauplaner sowie die ausführenden Unternehmen mit den Medizinern und den Krankenhaushygienikern eng zusammenarbeiten, um die Station sicher von den Bauarbeiten, etwa durch staubdichte Leichtbauwände oder durch den Einsatz mobiler HEPA-Filtrationsgeräte, abzuschirmen. Hinzu kommt, dass während der Bauperiode eine gezielte Surveillance invasiver Schimmelpilzinfektionen durchzuführen ist.
Schutz vor Aerosolen, Spritzwasser und Legionellen
Um eine Kontamination der Umgebung durch Spritzwasser aus Waschbecken, insbesondere in Räumen, in denen etwa Injektionen oder Infusionen zubereitet werden, zu vermeiden, wird gegebenenfalls ein Spritzschutz empfohlen. Bei Hochrisikopatienten ist der Einsatz von thermisch desinfizierten Siphons zu erwähnen, da sich eine Kontamination oder Aerosolbildung nicht durch andere technische Maßnahmen kontrollieren lässt. Hochgradig gefährdete Patienten sollten Zugang zu einem eigenen Sanitärraum mit Waschbecken, Dusche und Toilette erhalten. Empfohlen werden Armaturen mit elektronischen Sensoren, um die Berührung durch die Hände zu vermeiden. Weitere Maßnahmen, wie etwa der Verzicht auf Duschvorhänge, Materialien, die sich zur Desinfektion eignen, der regelmäßige Austausch von Duschschläuchen oder die Installation von spülrandfreien Toiletten, sind ebenfalls festgeschrieben.
Um einer Infektionen durch kontaminiertes Trinkwasser vorzubeugen, wird empfohlen kein stilles Mineralwasser zu verwenden, sondern entweder kohlensäurehaltiges oder alternativ sterilgefiltertes oder abgekochtes Trinkwasser. Die Verwendung von Tees in der Pflege wird kritisch gesehen, da Teeblätter mit Bakterien und Pilzen kontaminiert sein können.
Zudem empfiehlt die KRINKO, bei einer atypischen Pneumonie immer eine Diagnostik auf Legionellen durchzuführen und bei einem positiven Ergebnis unmittelbar die Krankenhaushygiene zu informieren, da bereits ein einzelner Fall ein Hinweis auf eine nosokominale Infektionsquelle sein könnte.
Quellen
- Robert Koch-Institut: Anforderungen an die Infektionsprävention bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten (2021)
- St. Elisabeth Gruppe, Katholische Kliniken Rhein-Ruhr: Die KRINKO Empfehlung Infektionsprävention bei Immunsupprimierten – Update 2020
- Abfallmanager Medizin: KRINKO-Empfehlung. Infektionsprävention bei übertragbaren Krankheiten