Durch das kilometerlange Tunnelsystem der Universitätsmedizin Greifswald werden täglich hunderte Containerladungen mit Speisen, Wäsche, Abfällen und Medikamenten geschleust. Dafür nutzen der Abfallbeauftragte Christian Wienhold und sein Team ein automatisches Warentransportsystem, das gerade in Zeiten des Fachkräftemangels eine wirkliche Entlastung ist. Im Interview sprachen wir mit Herrn Wienhold unter anderem über die Besonderheiten des Abfallmanagements in der Universitätsmedizin sowie über die wichtige Rolle, die das Warentransportsystem im Klinikalltag spielt.
Zur Person: Christian Wienhold
- seit 2015 Betriebsbeauftragter für Abfall an der Universitätsmedizin Greifswald
- seit Juli 2012 Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der Beschäftigten der Universitätsmedizin Greifswald
- seit Juli 1988 in unterschiedlichen Positionen an der Universitätsmedizin Greifswald tätig
Herr Wienhold, könnten Sie uns bitte Ihre Rolle als Abfallbeauftragter an der Universitätsmedizin Greifswald beschreiben?
In vielen Kliniken ist das Abfallmanagement aufgeteilt, da beschäftigt sich eine Person mit den operativen Aufgaben, eine andere mit den organisatorischen. Meine Stelle an der Universitätsmedizin verbindet aber beide Bereiche, was meinen Arbeitsalltag sehr vielfältig gestaltet. Ich beschäftigte mich mit allen Aufgaben rund um das Entsorgungsmanagement, angefangen von der Logistik über die Bestellung bis zur Aufklärung meiner Kolleginnen und Kollegen, falls etwas nicht richtig entsorgt wurde. In den letzten Jahren habe ich mich immer stärker mit den Themen Nachhaltigkeit undRessourcenschutz auseinandergesetzt und versuche mit meinen Kolleginnen und Kollegen Abfälle einzusparen oder eine Möglichkeit zum Recycling zu finden. Neben meiner Tätigkeit im Abfallmanagement bin ich auch als Vorsitzender des Gesamtpersonalrats tätig und bringe natürlich auch hier regelmäßig Themen ein, die mir bei meiner täglichen Arbeit über den Weg laufen.
Die Universitätsmedizin Greifswald besteht aus 21 Kliniken bzw. Polikliniken, 19 Instituten und weitere zentrale Einrichtungen. Diese Größe sorgt natürlich auch für große Abfallmengen. Wie managen Sie die Entsorgung?
Auf dem Gelände der Universitätsmedizin entsorgen wir im Jahr ungefähr 60 Tonnen gefährliche Abfälle, darunter sind infektiöse Abfälle infektiöse Abfälle sowie gefährliche Chemikalien und Stoffe. Für diese Abfälle gelten spezifische Entsorgungsrichtlinien, um sowohl den Menschen als auch die Umwelt vor möglichen Gefahren zu schützen. Hinzukommen ungefähr 1.550 Tonnen ungefährliche Abfälle. Hierunter zählen neben spezifisch medizinischen Abfällen wie mit Blut, Sekreten oder Exkreten behaftete Verbände, Windeln, Atemschutzmasken, Aufwischtücher oder Einwegwäsche auch Papier- und Verpackungsabfälle. Knapp 20 Prozent unseres Gesamtabfallaufkommens stammt aus der Speiseversorgung, denn unsere Mensa versorgt sowohl unsere Mitarbeitenden, unsere Patientinnen und Patienten als auch untypischerweise alle Studierenden der Universität Greifswald. Diese Abfälle werden nach Abfallschlüssel 200108 entsorgt.
Wie wird der medizinische Abfall in Ihrer Einrichtung behandelt und entsorgt?
Gefährliche und ungefährliche Abfälle werden entsprechend ihrer Abfallschlüssel sortiert und verpackt. Gefährliche Abfälle werden beispielsweise direkt nach einer Operation mit unserem automatischen Warentransport-System (AWT-System) ins Lager gebracht und dort in unserer Kühlzelle gelagert, bevor wir sie unserem Entsorger übergeben. Ungefährliche medizinische Abfälle, von denen der größte Teil im OP und den Laboren entsteht, werden gesammelt und ebenfalls mit dem AWT zum Entsorgungsplatz gebracht. Viele Abfälle in der Universitätsmedizin entsorgen wir aktuell als krankenhausspezifische Abfälle, obwohl einige dieser Abfälle potenziell recycelbar wären. Aus diesem Grund haben wir in den letzten Jahren verschiedene Projekte gestartet, mit denen wir das Abfallmanagement nachhaltiger ausrichten, um bestimmte Materialien in den Kreislauf zurückgeben. Aktuell testen wir beispielsweise die Wiederverwertung von PET-Flaschen und Petrischalen.
Ressourcenschutz und Nachhaltigkeit im Abfallmanagement
Sie sprachen gerade über Nachhaltigkeit im Abfallmanagement: Welche Möglichkeit haben Kliniken hier und welche Ideen werden bereits in der Universitätsmedizin Greifswald umgesetzt?
Wollen Kliniken nachhaltige Entsorgungskonzepte umsetzen, gibt es einige Möglichkeiten. Allerdings eignen sich nicht alle Ideen gleichermaßen für jedes Haus. Beispielsweise können Abfälle autoklaviert werden, um recycelt werden zu können. An sich eine gute Idee, ist bei uns aber schlicht an dem zur Verfügung stehenden Platz gescheitert. Zudem sind Autoklaven relativ geruchsempfindlich, womit sie nicht für jeden Abfall geeignet wären. Wir würden uns hier einen Autoklaven mit integriertem Schredder wünschen, der weniger Platz wegnimmt und trotzdem ermöglicht, Abfälle in den Kreislauf zurückzugeben. Auf dem Markt haben wir aber noch kein zufriedenstellendes Produkt gefunden. Auch Rücknahmesysteme von Herstellern wären eine Lösung. Allerdings scheitern solche Projekte auch wieder am Platzproblem, vor allem dann, wenn die Materialien einzeln für jeden Hersteller gesammelt werden müssen. Aktuell testen wir aber trotzdem bereits einige Rücknahmeangebote von Herstellern, u. a. für Petrischalen.
Wie fördern Sie das Engagement Ihrer Mitarbeitenden im Hinblick auf ein nachhaltiges Abfallmanagement und wie sind die Reaktionen?
Vor allem Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal aus das Personal aus der Anästhesie im OP ist besonders interessiert, Abfälle einzusparen oder direkt ressourcenschonende Produkte einzukaufen. Es hat sich daher eine Nachhaltigkeitskommission mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Abteilungen zusammengeschlossen, die in Arbeitsgruppen konkrete Projekte anstoßen. Eines dieser Projekte läuft aktuell in unserem Verwaltungsgebäude: Hier haben wir die einzelnen Papierkörbe in den Büros abgeschafft und gegen eine gemeinsame Müllstation pro Etage getauscht. So sparen wir Mülltüten, Papier wird überlegter eingesetzt und man bewegt sich regelmäßig, anstatt nur am Schreibtisch zu sitzen. Das Projekt wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern so gut angenommen, dass wir die Müllstationen auch auf unsere Labore ausweiten wollen. Meiner Meinung nach sind wir auf einem guten Weg und leben Nachhaltigkeit auf allen Ebenen: ökonomisch, ökologisch und auch sozial.
Warentransportsystem automatisiert organisatorische Infrastruktur
Die Universitätsmedizin Greifswald nutzt für die organisatorischen Versorgungsströme – wie die Speisenversorgung und das Abfallmanagement – ein AWT-System, welches über ein Tunnelnetz unterschiedliche Waren von A nach B transportiert. Wie funktioniert das System im Detail?
Die Priorität des AWT ist die Patientenversorgung, weshalb die Speisenversorgung immer Vorrang vor allen anderen Fahrten hat. Die Mensa ist dafür an unser Tunnelsystem angeschlossen, sodass sie direkt durch die Fahrzeuge angefahren werden kann. Für die Abholung der Abfälle sind unsere Fahrzeuge zweimal täglich unterwegs und sammeln diese morgens und am frühen Abend auf den Stationen oder in den Laboren ein. Dringende Lieferungen können aber trotzdem jederzeit realisiert werden. Zukünftig wollen wir auch den geplanten Neubau unserer Apotheke an das Tunnelsystem anschließen, sodass das AWT auch zur Auslieferung der Medikamente genutzt werden kann. Aktuell übernimmt dies ein separater Bringdienst, die Abholung von Medikamentenresten oder nicht genutzten Präparaten erfolgt aber durch das AWT-System.
Wie realisiert das AWT-System die Abholungen?
Wir haben 36 Fahrzeuge, die 100 mit Wäsche oder Abfall beladende Container sowie spezielle Speisewagen mit Aufwärmfunktion über unser Tunnelnetz vom Entsorgungszentrum zu den jeweiligen Stationen bringen bzw. diese wieder abholen. Dafür werden sie von meinen Kolleginnen und Kollegen im Lager entsprechend bestückt bzw. entleert. Die Container werden nach jeder Lieferung in unserer hauseigenen Containerwaschanlage gereinigt, bevor sie den nächsten „Auftrag“ annehmen. Dies wird durch unsere Koordinierungsabteilung sowie die Kolleginnen und Kollegen vor Ort überwacht. Damit das reibungslos funktioniert, sind Fahrzeuge und Container mit einem speziellen Chip ausgestattet. Wir wissen so jederzeit, wo sich die gesamte Flotte befindet und welcher Auftrag gerade erfüllt wird.
Welche Vorteile bietet das Warentransportsystem für die Versorgung?
Die Wege auf unserem Gelände sind lang, da ist unser Warentransportsystem wirklich eine große Entlastung. Ohne das System hätten wir in Zeiten des Fachkräftemangels wohl große Probleme. Durch die Automatisierung der Prozesse ist zudem die Fehlerquote relativ gering. Für das Abfallmanagement kann dies allerdings nur gewährleistet werden, wenn die Kolleginnen und Kollegen Abfälle richtig trennen. Da wir nachvollziehen können, welche Abfälle von welcher Station kommen, würden wir bei öfter auftretenden Problemen unsere Kolleginnen und Kollegen schulen, aber ohne sie mit der Kritik zu demotivieren.
Gibt es Herausforderungen oder Probleme in der Nutzung des AWT?
Glücklicherweise kaum. In den 14 Jahren, in denen ich als Abfallbeauftragter an der Universitätsmedizin Greifswald tätig bin, ist das System nur zweimal ausgefallen und die Probleme ließen sich auch nach wenigen Stunden direkt beheben. Und auch wenn sich das ein oder andere Fahrzeug mal festfährt, kann es schnell durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Technikbefreit werden. Damit die Abholung reibungslos verläuft, müssen die Kolleginnen und Kollegen von den Stationen oder aus den Laboren die Container in den markierten „Parkplätzen“ abstellen.
Zukunft des medizinischen Abfallmanagements
Die Universitätsmedizin Greifswald ist im Abfallmanagement bereits sehr gut aufgestellt, gibt es dennoch etwas, was Sie sich für die Zukunft wünschen?
Mein Ziel als Abfallmanager ist gemäß der Abfallhierarchie neben der Verwertung und Entsorgung auch Abfälle zu reduzieren. Hierfür sollten meiner Meinung nach Kliniken mit Herstellern und Entsorgern zusammenarbeiten und direkt bei der Entwicklung beteiligt sein. Hierfür muss unbedingt auch das Ende des Lebenszyklus des Produktes im Blick behalten werden. Eine andere Möglichkeit ist, dass Kliniken direkt im Einkauf auf ressourcenschonende Alternativen setzen. Zudem testen wir aktuell auch eine Art Medizin-Börse. Hier bieten wir anderen Kliniken Instrumente, medizinische Geräte oder auch Medikamente an, die wir nicht mehr benötigen. Diese müssen dann auf eigene Kosten abgeholt und wenn nötig repariert werden. Wir haben beispielsweise bereits ein Gerät aus der Anästhesie nach Kiel weitergegeben sowie Glassammler für ein Testprojekt an die Universitätsklinik Rostock.
Vielen Dank für das Gespräch!