Interview mit Lea Eggers Nachhaltiges Abfall­management im OP

OTA Lea Eggers zeigt als Koordinatorin des Kompetenznetzwerks Nachhaltigkeit im Marienkrankenhaus Hamburg, dass Nachhaltigkeit und Abfallmanagement zusammengehören. (Foto: Marienkrankenhaus Hamburg)
OTA Lea Eggers zeigt als Koordinatorin des Kompetenznetzwerks Nachhaltigkeit im Marienkrankenhaus Hamburg, dass Nachhaltigkeit und Abfallmanagement zusammengehören. (Foto: Marienkrankenhaus Hamburg)

Nachhaltigkeit und Abfallmanagement im OP müssen schon lange keine Gegensätze mehr sein – das macht Lea Eggers, Koordinatorin des Kompetenznetzwerks Nachhaltigkeit im Marienkrankenhaus Hamburg, im Interview deutlich. Gerade die richtige Abfalltrennung ist eine gute Möglichkeit, den im OP zwangsläufig produzierten Abfall nachhaltig zu entsorgen. Die gelernte operationstechnische Assistentin betont aber auch, dass es durchaus noch Entwicklungen geben muss, um die Entsorgung nachhaltiger gestalten zu können. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern, Herstellern von Materialien sowie der Politik – nur so kann es langfristig wirklich funktionieren.

Zur Person: Lea Eggers

  • ausgebildete operationstechnische Assistentin im Katholischen Marienkrankenhaus in Hamburg
  • seit 2022 Nachhaltigkeitsbotschafterin bei ZUKE Green
  • seit 2023 Koordinatorin des Kompetenznetzwerks Nachhaltigkeit im Marienkrankenhaus

Frau Eggers, Sie sind seit 2017 als operationstechnische Assistentin im Marienkrankenhaus angestellt, welche Aufgaben umfasst Ihr Arbeitsalltag?

Lea Eggers: Bei einer Operation fallen mir vor allem organisatorische und logistische Aufgaben zu: Ich bin für die Bereitstellung der benötigten Instrumente sowie deren Sterilität im OP verantwortlich. Im Fokus steht dabei die Sicherstellung des einwandfreien Zustands aller notwendigen Materialien. Außerdem bin ich dafür zuständig, dass die Textilien vor und nach der Operation vollständig sind. Als operationstechnische Assistenz (OTA) agiert man also als rechte Hand der Ärzte und Chirurgen und unterstützt diese während der gesamten Operation. Neben mir gibt es eine weitere OTA, die während eines Eingriffs als Springer fungiert und sich um die Lagerung des Patienten, die Dokumentation und das Anreichen der benötigten Instrumente kümmert.

Sie haben von der Bereitstellung steriler Instrumente gesprochen, welche zwar Sicherheit versprechen, aber auch viel Abfall bedeuten. Welche Abfälle entstehen auch darüber hinaus während einer Operation?

Lea Eggers: In der Vorbereitungszeit entstehen vor allem Verpackungsabfälle. Das sind hauptsächlich Plastikverpackungen, in denen die sterilen Instrumente und Materialien eingehüllt waren. Diese können vergleichsweise unbedenklich dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden.

Komplizierter wird die Entsorgung, wenn Abfälle mit Blut, Sekret, Exkret oder zytotoxischen Stoffen verunreinigt sind oder aus der unmittelbaren Patientenbehandlung stammen. Die hier entstehenden Abfälle müssen gemäß unterschiedlicher Abfallschlüssel entsorgt werden. Abfälle, die mit Blut, Sekret oder Exkret kontaminiert sind, können – sofern sie nicht mit infektiösem Gewebe o. ä. in Kontakt kamen – in Mülltüten gesammelt und der Entsorgung zugeführt werden. Darunter fallen beispielsweise Textilien wie Handschuhe und Kittel sowie sterile OP-Abdeckungen, Tupfer und Bauchtücher, aber auch Abfälle der Anästhesie, zu denen beispielsweise Tubus, Larynxmasken und Atemfilter gehören. Zusätzlich fallen auch Skalpelle, Einwegscheren und Ähnliches unter den Abfallschlüssel 180104, allerdings werden diese aufgrund der Verletzungsgefahr in stich- und bruchfesten Behältern gesammelt.

Werden Menschen operiert, die an meldepflichtigen Krankheiten erkrankt sind, müssen alle entstandenen Abfälle in stich- und bruchfesten Einwegbehältnissen nach Abfallschlüssel 180103* gesammelt und entsorgt werden. Auch zytotoxische Abfälle lagert man nach AS 180108* bis zur endgültigen thermischen Verwertung in solch speziellen bruch- und stichfesten Behältern.

Zusätzlich gibt es die sogenannten ethischen Abfälle (E-Abfälle), zu denen alle nicht infektiösen Körperteile oder Gewebereste gehören, die während einer Operation entstehen können. Für E-Abfälle stehen Gefahrgutbehälter bereit, in denen die Abfälle sicher verschlossen zur zentralen innerbetrieblichen Sammelstelle transportiert werden. Spezialisierte Entsorgungsunternehmen übernehmen dann die Verbrennung des Inhalts. In vielen Fällen ist es aber vorab notwendig, das entnommene Gewebe zur weiterführenden Diagnose in die Pathologie zu überführen.

Nachhaltiges Abfallmanagement im OP

In der Medizin entstehen immer viele Abfälle. Warum interessieren Sie sich trotz Ihres immensen Arbeitsaufkommens so für die Themen Nachhaltigkeit und Abfallmanagement?

Lea Eggers: Das Thema Nachhaltigkeit hat für mich schon lange eine große Bedeutung und nimmt einen wichtigen Teil meines beruflichen sowie privaten Alltags ein. Ich engagiere mich beispielsweise schon seit Jahren in verschiedenen Netzwerken mit dem Fokus Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen. In unserer Branche muss man sich bewusst machen, welche enormen Mengen an Abfall täglich produziert werden – darunter fallen auch viele Einmalprodukte wie Kittel oder Handschuhe, die wir nur für eine einzige Operation nutzen und am Ende muss fast alles verbrannt werden. Sich dieser schieren Menge bewusst zu machen, ist erschreckend, sorgte bei mir aber auch für großes Interesse an möglichen alternativen Entsorgungsstrategien und Veränderungsmöglichkeiten für ein nachhaltigeres Krankenhausmanagement.

Nachhaltiges Krankenhausmanagement benötigt ein Umdenken auf vielen Ebenen. Welche Mitarbeit brauchen Sie von der Krankenhausleitung, wenn es um Umweltschutz geht? Gibt es in Ihrem Haus einen Austausch zwischen Praktikern und Leitung?

Lea Eggers: Nachhaltigkeit entwickelt sich auch bei uns im Krankenhaus zu einem immer wichtiger werdenden Thema, was nur im Austausch mit Personen aus verschiedenen Abteilungen umgesetzt werden kann. Ich bin beispielsweise mit meinen Verbesserungsvorschlägen zur Abfalltrennung auf den Geschäftsführer des Marienkrankenhauses Christoph Schmitz zugegangen. Basierend auf den Gesprächen und unseren Bemühungen entstand Anfang 2023 das Kompetenznetzwerk Nachhaltigkeit, in dem wir uns unter anderem mit Ansätzen zur Abfalltrennung beschäftigen und gemeinsam Möglichkeiten zu deren Umsetzung erarbeiten. Innerhalb dieses Netzwerkes arbeiten wir interdisziplinär zusammen, um Ideen aus unterschiedlichen Blickwinkeln bewerten zu können.

Unser festes Team besteht aus jeweils einem Vertreter der Bereiche Krankenhaushygiene, Einkauf, IT, Mitarbeitervertretung und Anästhesie sowie einem Praxisanleiter, der OP-Leitung, dem Betriebsleiter des Marienservice sowie einem Kollegen aus der Direktion. So wollen wir Ideen entwickeln, die am Ende für alle gut umsetzbar sind.

Zusätzlich habe ich viele Schulungen und Vorträge gehalten und mit dem Hygiene-Team, dem Abfallbeauftragten, Ärzten, meinen Kollegen und den Reinigungskräften gesprochen, um tägliche Konflikte zwischen Abfallvermeidung, Recycling und Hygiene aus der Welt zu schaffen. Es hat sich gezeigt, dass der Schlüssel für eine nachhaltige Abfalltrennung in einer guten Kommunikation liegt – für uns hat sich das bisher sehr gut bewährt.

Wir würden gern mehr über Ihre Strategien für ein nachhaltiges Abfallmanagement erfahren. Welche Maßnahmen haben Sie bereits im OP ergriffen und welche möchten Sie zukünftig verwirklichen?

Lea Eggers: Früher hatten wir eine Tüte bzw. einen Behälter, wo alles reinkam – egal ob kontaminierte Abfälle, Plastik oder andere Abfälle. Spezielle Abfälle wie Zytostatika haben wir selbstverständlich in den entsprechenden Tonnen entsorgt und auch spitze Gegenstände, wie Kanülen oder Skalpelle, wurden getrennt gesammelt. Mittlerweile haben wir die Entsorgung mittels drei verschiedener Behältertypen optimiert und zusätzlich gibt es weiterhin den gesonderten Behälter für kontaminierte Abfälle. So sammeln wir alle Plastik-, Papp- und Papierverpackungen, die in der Vorbereitung anfallen und entsprechend keinen Patientenkontakt haben, separat und nicht wie vorher mit den Abfällen anderer Abfallgruppen zusammen. Bei den OP-Sets verwenden wir zwar immer noch Einwegprodukte, haben aber zu einem Hersteller gewechselt, welcher sehr innovativ und offen für Recyclingmöglichkeiten ist.

Das spricht für erste Erfolge eines nachhaltigen Krankenhausmanagements, lässt aber die Frage offen, wie man einen solchen Nachhaltigkeitsgedanken bei 2.000 Mitarbeitenden fest verankern kann. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Lea Eggers: Zu Anfang muss man sich einer Sache bewusst sein: Den Nachhaltigkeitsgedanken kann man nicht bei allen Mitarbeitenden fest etablieren, denn es wird immer Kollegen geben, die daran zweifeln. Ich wollte mich davon aber nicht aufhalten lassen und habe bewusst die Konfrontation gesucht. Mich hat es aber ehrlich gesagt schockiert, dass es Menschen gibt, die sich in der aktuellen Zeit nicht über die Wichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit bewusst sind.

Da hilft nur eins: Aufklärung. Aus diesem Grund habe ich mit einem Vortrag zum Klimawandel, den Auswirkungen der Emissionen und deren Bedeutung für die Gesamtgesundheit der Bevölkerung gestartet. Dieser Vortrag hat einigen meiner Kolleginnen und Kollegen die Augen geöffnet und zum Nachdenken angeregt, wie Nachhaltigkeit bewusst im Alltag integriert werden kann. Nach dem Vortrag startete das Kompetenznetzwerk Nachhaltigkeit mit einem gemeinsamen Projekt zur Abfalltrennung.

Langfristig erfolgreich können diese Maßnahmen aber nur umgesetzt werden, wenn man im regen Austausch mit den Mitarbeitenden steht, denn diese sind schließlich die Personen, die die Maßnahmen täglich umsetzen müssen. Meiner Meinung nach können Nachhaltigkeitsstrategien nur dann effektiv sein, wenn sie auf allen Ebenen gelebt werden. Nachhaltigkeit ist eine Teamleistung – gerade im Abfallmanagement.

Die Zukunft des nachhaltigen Abfallmanagements

Wir haben bereits das Thema möglicher zukünftiger Entsorgungsstrategien angeschnitten: Wie stellen Sie sich das zukünftige Abfallmanagement im OP vor?

Lea Eggers: Meiner Meinung nach ist gerade in puncto Abfallmanagement – sowohl im OP als auch in anderen Bereichen des Krankenhauses – noch viel Potenzial für Verbesserung vorhanden. Problematisch ist dabei aber leider, dass gerade das Thema Abfallmanagement in vielen Krankenhäusern sehr stiefmütterlich behandelt wird. Ein guter erster Schritt wäre meiner Meinung nach die Zuführung unterschiedlicher Materialien in den Recyclingkreislauf. Ein Beispiel wäre die spezielle Sammlung von Materialien wie Batterien oder Metalle.

Eines unserer zukünftigen Projekte ist das Sammeln von Umverpackungen von Nahtmaterialien, dafür bin ich beispielsweise mit einem Hersteller in Kontakt, um eine möglichst einfach im Klinikalltag umzusetzende Möglichkeit zu finden. Ein weiteres großes Thema ist die Verantwortung der Hersteller für ihre Verpackung. Ein Stichwort wäre hier die Rücknahme von Verpackungen – da besteht auf jeden Fall noch Luft nach oben. Zudem sind viele Produkte unnötigerweise mehrfach verpackt, da sollte unbedingt eine Prozessanpassung oder Überprüfung stattfinden.

Großes Recyclingpotenzial besteht zudem bei der Entfernung von fehlerhaften oder veralteten Implantaten wie künstlichen Knie- und Hüftgelenken sowie Schrauben oder Platten. Diese sind offiziell Eigentum der Patienten und Patientinnen. Um die Implantate dennoch recyceln zu können und die enthaltenen Metalle wieder in den Wertstoffkreislauf zurückführen, ist aktuell ein hoher bürokratischer Aufwand notwendig. Hier wäre der Abbau bürokratischer Hürden sowie ein Mitwirken der Hersteller nicht nur wünschenswert, sondern auch durchaus sinnvoll.

Was ist außerhalb der Abfalltrennung gerade das wichtigste Ziel des Kompetenznetzwerks Nachhaltigkeit?

Lea Eggers: Aktuell sind unsere großen Themen Mobilität und Ernährung. Gerade das Thema Ernährung ist schwierig und wir haben begonnen, zusammen mit unseren Mitarbeitenden zu testen, wie wir eine nachhaltige Ernährung umsetzen können. Wir setzen hier besonders auf Feedback und geben unseren Mitarbeitenden innerhalb einer Sensibilitätskampagne die Möglichkeit, Ideen zur Optimierung des Versorgungsangebotes einzureichen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Quellen

OTA Lea Eggers zeigt als Koordinatorin des Kompetenznetzwerks Nachhaltigkeit im Marienkrankenhaus Hamburg, dass Nachhaltigkeit und Abfallmanagement zusammengehören. (Foto: Marienkrankenhaus Hamburg)
OTA Lea Eggers zeigt als Koordinatorin des Kompetenznetzwerks Nachhaltigkeit im Marienkrankenhaus Hamburg, dass Nachhaltigkeit und Abfallmanagement zusammengehören. (Foto: Marienkrankenhaus Hamburg)