Interview mit Willy Hilling Entsorgung von Abfällen aus der Feuerbestattung

Willy Hilling, Vorstand bei Feuerbestattungen Verden e. V., gab unserer Reporterin einen Einblick in die Arbeit des Krematoriums (Foto: Abfallmanager Medizin)
Willy Hilling, Vorstand bei Feuerbestattungen Verden e. V., gab unserer Reporterin einen Einblick in die Arbeit des Krematoriums (Foto: Abfallmanager Medizin)

Es ist kein leichtes Thema. Nichtsdestotrotz gehört auch der Umgang mit Verstorbenen und deren Überresten zum Alltag der medizinischen Abfallentsorgung dazu. Denn die Leichname kommen größtenteils aus der Pflege oder einem Krankenhaus. Was passiert bei der Kremation? Und was verbleibt nach diesem Prozess? Um uns diesem Themenspektrum etwas anzunähern, haben wir uns eine Anlage von innen angeschaut. Willy Hilling, Vorstand bei Feuerbestattungen Verden e. V., gab uns einen Einblick in die Arbeit des Krematoriums und beantwortet unter anderem auch die Frage, wie nachhaltig eine solche Bestattung eigentlich ist.

Herr Willing, können Sie uns erläutern, wie genau eine Kremation abläuft?

Willy Hilling: Alles beginnt mit dem Ofen, in dem pro Ofenlinie rund 30 Tonnen Schamottsteine vermauert sind. Diese Steine werden mittels Gasbrenner auf eine Temperatur von mindestens 850 Grad Celsius, teilweise auf Temperaturen bis 1.300 Grad Celsius, gebracht. Der Ofen selbst ist übrigens isoliert, so dass die Energie vollständig dort bleibt und nicht in die Atmosphäre gelangt. Ist der Ofen vorgeheizt, wird die Anlage zum Einfahren des Sarges freigegeben und der Ofenschieber öffnet sich. Der Sarg wird auf dem sogenannten Muffel-Boden abgelegt, die Sarg-Einfuhrmaschine fährt heraus, der Ofenschieber schließt sich. Dann kommt alleine durch die Strahlungshitze des Ofens ein Selbstentzündungsprozess in Gang. Wir brauchen also keine Energie in Form von Gas für den Einäscherungsprozess selbst. Es sind auch keine Flammen und keine Brenner auf den Sarg oder auf den Leichnam gerichtet, sondern allein das Mauerwerk wird aufgeheizt. Sobald das Ganze die Mindesttemperatur unterschreitet, wird wieder nachgeheizt. Das ist alles elektronisch über das Leitsystem geregelt.

Organische Abfälle im Krematorium

Soweit zur Technik des Ofens. Was sind die spezifischen Abläufe, die mit der Kremation des Leichnams einhergehen?

Willi Hilling: Zunächst muss man erst einmal wissen: Ein Leichnam besteht zu 90 Prozent aus Organik. Die ist etwa nach einer Stunde ausgetrieben. Eigentlich sprechen wir hier deshalb auch nicht von Verbrennen, was wir hier machen, sondern von Verdampfen. Das, was nach dem Verdampfen übrig bleibt, sind die nicht brennbaren Teile, also Kalzium und Mineralstoffe. Nach einer Stunde wird diese Asche dann abgeschoben und fällt runter in die Kammer, zusammen mit dem Schamottstein. Der ist die fortlaufende Nummer des jeweiligen Verstorbenen, mit welchem seine Asche immer wieder identifiziert werden kann. Und dann kann hier schon der nächste Prozess gestartet, der nächste Sarg abgelegt werden. Der wird aber dann erst abgeschoben, wenn die Asche vom vorangegangenen Fall abgezogen ist, damit es keine Vermischung gibt. Das ist alles elektronisch abgesichert. Wenn die Asche aus dem Ofen kommt, lassen wir sie zunächst etwas abkühlen, bevor sie dann von den Mitarbeitern aufbereitet wird. Also sprich: die Metallteile werden entnommen und die Asche wird in einer Mühle fein gemahlen. Das passiert alles komplett händisch.

Was bleibt nach dem Kremationsprozess übrig?

Willi Hilling: Alles was sogenannte leichte Flugasche ist, d. h. Asche aus dem Sarg, aus der Kleidung und der Sargauskleidung, wird abgesogen. Das müssen Sie sich folgendermaßen vorstellen: Die Anlage arbeitet im Flugstromverfahren – einem Reinigungsverfahren -, bei dem mit einer Art Staubsauger die leichtere Asche permanent vom Ofen abgesogen und dann direkt ausgeschieden wird. So haben wir hier keine Holzkohle oder Überreste aus der Kleidung mehr. Übrig bleiben im Endeffekt die Reste des Menschen und eventuelle Metallteile. Also alles, was die Medizin eingebracht hat, Sargbeigaben, nicht abgenommener Schmuck, Zähne, usw.

 

Was machen Sie mit diesen Überbleibseln am Ende der Einäscherung?

Willi Hilling: Die Metalle sortieren wir nach dem Prozess in verschiedene Fraktionen. Zuerst geht ein Mitarbeiter mit einem Handmagneten durch die Asche und zieht alle magnetischen Teile heraus, z. B. Grampen, mit denen der Sarg ausgeschlagen ist, Griffe und Verschraubungen. Das wandert in die magnetische Tonne. Dann haben wir die Medizinstähle, also alles, was die Medizin eingebracht hat: künstliche Hüft- und Kniegelenke, Rückenmarksverstärkungen. Das sind meist größere Teile, die von Hand entnommen werden. Eine weitere Abfallfraktion mit z. B. Gebiss-Teilen geht zu einem Verwerter, der über eine Scheideanstalt Edelmetalle zurückgewinnt. Den Erlös aus den verkauften Edelmetallen spenden wir an gemeinnützige und soziale Projekte.

Der Wert eines Hüftgelenks oder eines Goldzahns wird also nicht an die Angehörigen ausgegeben?

Willi Hilling: Nein. Im Rahmen der Anmeldung zur Einäscherung oder mit der Auftragserteilung beim Bestatter wird der Angehörige darüber aufgeklärt, was mit diesen Metallteilen passiert. Über diese Willenserklärung haben wir die Legitimation, die Teile zu verkaufen und den Erlös daraus zu stiften. Um mal eine Zahl zu nennen: Im vergangenen Jahr haben wir eine Summe von 240.000 Euro für gemeinnützige und soziale Zwecke gespendet.

Sonderabfälle nach der Verbrennung

In der Zahnmedizin wurde in der Vergangenheit viel quecksilberhaltiges Amalgam verwendet, das sich zum Großteil immer noch in den Gebissen von Verstorbenen befindet. Was passiert damit?

Willy Hilling: Durch die aufwendige Filtertechnik im Krematorium sind auch Quecksilberrückstände in der Asche kein Thema, da diese eliminiert und ausgeschieden werden. Hier gab es mal Bedenken, dass Quecksilber über die Urnen in die Böden gelangt und diese verunreinigt. Dieser Verdacht hat sich aber nicht bewahrheitet.

Manche Leichen werden direkt aus dem Krankenhaus zur Bestattung gebracht. Sieht man diesen die medizinischen Maßnahmen noch an, wenn sie bei Ihnen bzw. bei den Bestattern ankommen?

Willy Hilling: Wir sehen die Verstorbenen in der Regel erst, nachdem sie beim Bestatter waren. Wie sie direkt aus dem Krankenhaus kommen, können wir uns nur vorstellen. Manchmal sehen wir hier aber auch unversorgte Leichname, denen tatsächlich noch Hilfsmittel aus dem Krankenhaus beiliegen, z. B. Urinbeutel, Infusionen, Kanülen mitsamt den Schläuchen. Normalerweise ist es aber die Aufgabe des Krankenhauses – für einen würdigen Umgang – solche Dinge aus den Verstorbenen zu entnehmen und dem Bestatter nur einen grundversorgten Leichnam zu übergeben.

Vor 30 Jahren bestand ein Krematorium aus einem Ofen und einem Kamin. Heute gelten hier dieselben gesetzlichen Regelungen wie für Sonderverbrennungsanlagen. Was hat sich für Sie geändert?

Willy Hilling: Krematorien sind heutzutage mit einer Filteranlage ausgestattet, in der Dioxine, Furane usw. aufgeknackt werden. In einer modernen Anlage wird außerdem die Energie aus der Abwärme des Ofens genutzt, um die Abgase, die durch die Filteranlage gehen, auf eine Temperatur zwischen 100 und 140 Grad Celsius herunter zu kühlen. Das muss sein, sonst wären die Abgase zu heiß für die feinen Gewebefilter. Mit der überschüssigen Energie heizen wir im Winter auch das Gebäude. Kollegen im Süden der Republik nutzen diese Energie auch, um ihre Auffahrt im Winter schnee- und eisfrei zu halten.

Umweltschutz bei der Bestattung

Das heißt, so ein Krematorium arbeitet im Grunde genommen recht CO2-neutral?

Willy Hilling: Wenn der Einäscherungsprozess einmal gestartet ist und man die Anlage kontinuierlich fahren kann, wird keine Primärenergie benötigt. Für die Steuerungen und Antriebe brauchen wir allerdings elektrischen Strom. Hier im Krematorium Verden nutzen wir dafür Strom aus grünen Quellen, so dass wir was den Stromverbrauch angeht 100Prozent klimaneutral aufgestellt sind. Über unsere Rauchgasanalysestation messen wir kontinuierlich den CO2-Gehalt.Der gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert liegt bei 50 Milligramm CO2 pro Normkubikmeter und wir haben einen Wert von 0,0 Milligramm – weniger als null geht nicht. Oben auf dem Schornstein wird außerdem noch der Sauerstoffgehalt gemessen, der liegt im Moment bei 13,88 Prozent. Also reine Luft zum Atmen.

Vielen Menschen ist nachhaltiges Handeln zunehmend wichtig – auch wenn es um ihren letzten Weg geht. Was würden Sie sagen, ist da nachhaltiger: Die Erd- oder Feuerbestattung?

Willy Hilling: Für eine Einäscherung wird Energie gebraucht, um den Ofen aufzuheizen. Das wäre insofern ein Nachteil der Feuerbestattung. Ein Vorteil ist, wie wir bereits eben erörtert haben, dass bestimmte Ressourcen wie Edelmetalle, die der Mensch im Laufe seines Lebens verbraucht hat, wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können. Das muss sicher jeder individuell für sich abwägen. Ob Erd- oder Feuerbestattung: Das ist ein freie Entscheidung des Verstorbenen. Es darf übrigens auch kein Mensch eingeäschert werden, der zu Lebzeiten diesen Wunsch nichtzumindest mal geäußert hat, also entweder dem Ehepartner oder einem nahestehenden Verwandten gegenüber. Erst, wenn der bestattungspflichtige Angehörige diese Einverständniserklärung für den Verstorbenen abgegeben hat, darf dieser feuerbestattet werden.

Das heißt im Umkehrschluss: Das „Standardbegräbnis“ ist in Deutschland nach wie vor die Erdbestattung?

Willy Hilling: Das würde ich heute nicht mehr sagen. Als wir vor 17 Jahren hier angefangen haben, hatten wir 80 Prozent Erdbestattungen und 20 Prozent Feuerbestattungen. Im letzten Jahr hat sich dieses Verhältnis komplett umgekehrt. Auch bundesweit liegen wir – im Westen wie im Osten – bei 73 Prozent Feuerbestattungen. Aufgrund der Zahlen würde ich sagen ist das also mittlerweile der Standard.

Was denken Sie, warum hat sich das so gewandelt?

Willy Hilling: Das hat mehrere Gründe. Die klassische Grabpflege beispielsweise, bei der die Angehörigen alle an einem Ort heimatverbunden sind, gibt es aus beruflichen Gründen immer weniger. Die Familienverbände driften immer mehr auseinander. Viele Verstorbene wollen ihren Angehörigen auch keine spätere große Grabpflege mehr aufbürden und entscheiden sich deshalb für eine Feuerbestattung. Denn so ein Urnengrab ist doch einfacher zu pflegen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Willy Hilling, Vorstand bei Feuerbestattungen Verden e. V., gab unserer Reporterin einen Einblick in die Arbeit des Krematoriums (Foto: Abfallmanager Medizin)
Willy Hilling, Vorstand bei Feuerbestattungen Verden e. V., gab unserer Reporterin einen Einblick in die Arbeit des Krematoriums (Foto: Abfallmanager Medizin)