Fach- und sachgerechter Umgang mit Gefahrstoffen und Gefahrgut – diese Qualifikation spricht im Allgemeinen kaum jemand der Polizei zu. Dabei kümmern sich allein bei der hessischen Polizei über 480 Mitarbeiter:innen um Dienstbekleidung, IT, Digitalfunk, Fuhrpark und Abfälle, damit die rund 21.000 Beschäftigten täglich erfolgreich und sicher arbeiten können. Ob Drogen, Medikamente, illegal entsorgter Abfall oder Munition aus sichergestellten Waffen – in insgesamt elf Polizeibehörden in Hessen sind Beamte für Abfall, Gefahrstoffe und Gefahrgut zuständig. Mit einem von ihnen – Martin Meyer - hat Abfallmanager Medizin über die Abläufe und Entsorgungswege gesprochen.
Zur Person: Martin Meyer
- Seit 2012: Bestellung zum Gefahrgutbeauftragten und Betriebsbeauftragten für Abfall der hessischen Polizei beim Polizeipräsidium für Technik in Wiesbaden
- 2009: Einstieg in den Bereich Arbeitsschutz / Abfall / Gefahrstoffe und Gefahrgut beim Bereitschaftspolizeipräsidium in Mainz-Kastel
- 2004-2009: verschiedene Tätigkeiten im Bereich der Bereitschaftspolizei und im polizeilichen Einzeldienst
- Fußball WM 2006
- G8 Gipfel Heiligendamm
- Fahndungsgruppe Stadt/PP Frankfurt – Alkohol und Drogen im Straßenverkehr
- Zentral-Psychologischer Dienst / Eignungs- Auswahlverfahren für Polizeikommissar-Anwärter
- 2004: Abschluss des Polizeistudiums in Wiesbaden
- 2000: Abitur in Koblenz
Herr Meyer, es ist bestimmt nicht jedem bekannt, dass die Polizei auch über Abfall- und Gefahrgutbeauftragte verfügt. Wofür sind Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen zuständig?
Martin Meyer: Die hessische Polizei beschäftigt einen bestellten Gefahrgutbeauftragten und einen Betriebsbeauftragten für Abfall. Diese Funktionen übernehme derzeit ich in Personalunion. Diese sind im Hessischen Polizeipräsidium für Technik in Wiesbaden verortet. Neben diesen beiden Funktionen haben wir in allen elf Polizeibehörden eine/n „Beauftragte/n für Abfall, Gefahrstoffe und Gefahrgut“ (BAGG) innerhalb der hausinternen Organisationsstruktur. Die BAGGs stellen die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben in den einzelnen Polizeibehörden sicher. Sie sind beispielsweise für die fachgerechte Entsorgung von Abfällen ihrer Liegenschaften zuständig und gewährleisten, dass alle am Transport von gefährlichen Gütern Beteiligten unterwiesen sind. Zudem erstellen sie Betriebsanweisungen zum Umgang mit Gefahrstoffen. Die Aufgaben sind sehr vielfältig und können hier nur in Auszügen angerissen werden. Sowohl der/die Gefahrgutbeauftragte als auch der/die Betriebsbeauftragte für Abfall der hessischen Polizei beraten und unterstützen die BAGGs der Polizeibehörden bei ihren Aufgaben. Hierzu begehen sie die einzelnen Behörden regelmäßig.
Die Ergebnisse dieser Begehungen dokumentieren sie in einem Bericht. Außerdem fertigen sie zwei Jahresberichte an, jeweils zu den Themen Abfall und Gefahrgut.
Gerade ging eine Meldung durch die Presse, dass im Raum Marburg-Gießen und in Frankfurt ein gutes Dutzend Drogenhändler festgesetzt worden ist – inklusive 250 Kilo Kokain, Speed und Cannabis. Wo landen die beschlagnahmten Drogen bei Ihnen und wie kann man sich den weiteren Ablauf vorstellen?
Martin Meyer: Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich hier nicht ins Detail gehen kann. Grundsätzlich können Sie sich den Ablauf folgendermaßen vorstellen: Das Betäubungsmittel wird sichergestellt und dann als so genannter Notfalltransport zum nächsten sicheren Ort transportiert, ohne besondere ADR-Vorschriften beachten zu müssen. In diesem Fall bestimmt der Einsatzleiter/die Einsatzleiterin, welcher Ort das ist. Als „sicher“ gilt eine Räumlichkeit, die über geeignete Lagermöglichkeiten verfügt. Hier spielt die Sicherheit des Betäubungsmittels ebenso eine Rolle wie die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen: Grundsätzlich wird empfohlen, für den Transport baumustergeprüfte Verpackungen zu verwenden, zumindest aber solche, die dicht schließen und das Ausgasen verhindern. Zu berücksichtigen sind nicht nur die gefahrgutrechtlichen Aspekte, sondern auch der Arbeitsschutz. Für ganz spezielle Themen verfügt die hessische Polizei über zusätzliche Expert:innen, die dazu Gefährdungsbeurteilungen durchführen. Nachdem der „sichere Ort“ erreicht ist, muss für ein gegebenenfalls anhängiges Verfahren eine Probe des Betäubungsmittels zum Hessischen Landeskriminalamt (HLKA) transportiert werden, um dort analysiert zu werden. Nach Ablauf des Verfahrens und der Freigabe durch die zuständige Staatsanwaltschaft wird das „Beweismittel“ freigegeben und der fachgerechten Entsorgung zugeführt.
Sind Sie bei den Einsätzen direkt mit dabei oder übernehmen Sie die beschlagnahmten Substanzen erst in Ihrer Dienststelle?
Martin Meyer: Persönlich bin ich nur sehr selten vor Ort. Meine Aufgaben beschränken sich auf Beratung und Controlling. Unsere BAGGs sind eher direkt in diese Vorgänge eingebunden. Allerdings habe ich den letzten größeren Sammeltransport von Gefahrgut/Abfall persönlich begleitet. Dabei haben wir hessenweit bei verschiedenen Polizeibehörden über zwei Tonnen Munition und Pyrotechnik eingesammelt, die zu entsorgen waren. Dieser Vorgang zog sich über zwei Tage.
Entsorgung von Gefahrgütern
Welche Abfallarten, die als Gefahrgut entsorgt werden müssen, fallen bei Ihnen regelmäßig an und wie sehen die anschließenden Entsorgungswege aus?
Martin Meyer: Um nur einige zu nennen: ölverschmierte Betriebsmittel, Munition und Pyrotechnik, Chemikalien, Druckgaspackungen. Derzeit fällt bei der hessischen Polizei kein gefährlicher Abfall über 20 Tonnen im Jahr an. Deshalb entsorgen wir unsere Abfälle über „Sammler“, die im Besitz entsprechender Sammel-Entsorgungsnachweise sein müssen. Die 20 Tonnen hatten wir in früheren Jahren überschritten, weil so genannter Geschossfangsand aus unseren Außenschießständen dabei war. Dieser ist allerdings inzwischen, auch im Sinne der Nachhaltigkeit, gegen Granulat ausgetauscht worden.
Wenn bei Einsätzen zum Beispiel Drogen oder Spritzen aus dem Verkehr gezogen werden – kommen die direkt im Polizeifahrzeug in bestimmte Behälter? Wie transportieren die Kolleg:innen vor Ort die beschlagnahmten Betäubungsmittel?
Martin Meyer: Hier kommt es auf Art und Menge an. In der Regel sind die Substanzen bereits verpackt und die Kolleg:innen verfügen über Beweismittelbeutel, in denen sie kleinere Mengen transportieren. Bei größeren Sicherstellungen werden entsprechende Verpackungsmaterialen mitgeführt. Die „Sharps“, also Spritzen usw., werden tatsächlich äußerst selten aufgefunden und entsprechend selten sichergestellt und transportiert. Aber auch hier gibt es spezielle Zylinder zum Transport.
Haben sich die Substanzen in den vergangenen Jahren verändert? Stellen Sie dahingehend einen gewissen Trend fest?
Martin Meyer: Nein, hier können wir keinerlei Veränderungen feststellen.
Im Fernsehen sieht man häufig Kisten in der Asservatenkammer. Kommt es vor, dass hier auch Spritzen, Tabletten o. Ä. landen oder wird grundsätzlich alles der Entsorgung zugeführt?
Martin Meyer: Grundsätzlich führen wir Betäubungsmittel früher oder später immer der fachgerechten Entsorgung zu. Es kommt im Einzelfall darauf an, ob ein Gegenstand oder eine Substanz einen Beweiswert hat und somit in einem anhängigen Verfahren noch benötigt wird. Ist dies der Fall, liegt es etwas länger in der Asservatenkammer. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Asservate unter Umständen Gefahrstoffe darstellen. Diese können wir natürlich nicht einfach in eine Kiste legen und sie irgendwo in die Asservatenkammer stellen. Stattdessen sind sie in Gefahrstoffschränken aufzubewahren. Auch spannend ist natürlich der Umgang mit Blut- und anderen Körperflüssigkeiten an kontaminierten Kleidungsstücken. Auch diese müssen erst fachgerecht und spurenschonend behandelt und später der fachgerechten Entsorgung zugeführt werden.
Entsorgung unter Beachtung des Betäubungsmittelgesetz
Das Betäubungsmittelgesetz hat strenge Vorgaben zur Vernichtung. Jedem medizinischen Abfall und jedem Gefahrgut sind eigene Abfallschlüsselnummern zugeordnet sowie entsprechende Behälter. Klären Sie darüber die Kolleg:innen in Schulungen auf oder sind grundsätzlich Sie für die korrekte Zuordnung zuständig?
Martin Meyer: Es ist so, dass grundsätzlich jedem Betäubungsmittel eine Abfallschlüsselnummer und eine UN-Nummer zugeordnet ist. Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort werden von den jeweiligen BAGG unterwiesen, unter anderem auch in der ordentlichen und baumustergeprüften Verpackung und Kennzeichnung von gefährlichen Gütern und damit auch von Betäubungsmitteln. Im Rahmen der Vernichtung ist gemäß § 16 (1) des Betäubungsmittelgesetzes außerdem immer auch ein Vernichtungsprotokoll zu führen, das zwei Zeugen unterschreiben müssen.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Ihrem Entsorger – nutzen Sie ein spezialisiertes Entsorgungsunternehmen?
Martin Meyer: Wir arbeiten mit verschiedenen Entsorgungsunternehmen zusammen. Der Grund: Wir haben viele verschiedene Abfälle und unsere Polizeibehörden sind großflächig in Hessen verteilt. In Kassel gibt es unter Umständen nicht den gleichen Entsorger wie in Darmstadt. Bei den spezialisierten Entsorgungsunternehmen arbeiten wir aktuell nur mit einem Unternehmen zusammen, dieses übernimmt den Transport und die Entsorgung der Abfälle der Gefahrgutklasse 1 (Munition und Pyrotechnik).
Was war das bislang Spektakulärste, das Sie entsorgen lassen mussten?
Martin Meyer: Tatsächlich sind unsere Abfälle nicht wirklich spektakulär, außer vielleicht, wenn wir selbst entsorgen, wenn also die Sprengtechniker des HLKA einen Gegenstand sprengen müssen, weil der Transport oder der normale Entsorgungsweg einfach zu gefährlich wäre.
Vielen Dank für das Gespräch.