Wenn es um innovative Methoden im Umgang mit Abfällen im Krankenhaus geht, ist die Uniklinik Münster (UKM) ganz weit vorn dabei. Das liegt mitunter an viel Eigeninitiative und jeder Menge Erfahrung. Silvia Hermes leitet als Umweltbeauftragte der Einrichtung bereits seit 31 Jahren das Team Entsorgungsmanagement und ist u. a. eine von drei Sprecherinnen des NRW-Arbeitskreises der Umweltbeauftragten im Krankenhaus. Im Interview erzählt uns die diplomierte Umweltingenieurin u. a. vom Segen des eigenen Intranets, wie Lastenräder beim Transport von Gefahrgut auf dem Klinikgelände helfen können oder warum man sich mit manchen Wünschen besser in der Schweiz umschaut. Auch um einige hilfreiche Ratschläge an den Abfallbeauftragtennachwuchs ist Silvia Hermes nicht verlegen.
Zur Person: Silvia Hermes
- Dipl. Ing. Kommunal- und Umwelttechnik an der Fachhochschule Münster (Steinfurt)
- seit 31 Jahren umweltbeauftragte Teamleiterin Entsorgungsmanagement an der Uniklinik Münster und Beauftragte für Abfall
- eine von drei Sprecherinnen des NRW-Arbeitskreises der Umweltbeauftragten im Krankenhaus
- berufenes Mitglied in der „Kommission für Klima- und Umweltschutz“ bei der KGNW (Krankenhausgesellschaft NW)
Frau Hermes, Sie als Umwelt- und Abfallbeauftragte sind dem Geschäftsbereich „Zentrale Dienstleistungen“ an der Uniklinik Münster (UKM) zugehörig. Welche Aufgaben leistet der Bereich, in dem Sie angesiedelt sind und wie viele Personen gehören zu Ihrem Team?
Silvia Hermes: Zu unserem Geschäftsbereich gehört praktisch alles, was die Zuarbeit zu den krankenversorgerischen Bereichen bildet. Die Hauptaufgabe des Geschäftsbereichs „Zentrale Dienstleistungen“ besteht in der Bereitstellung allgemeiner Dienstleistungen, hierzu gehören vielfältige Service- und Sicherheitsleistungen sowohl für das Unternehmen UKM als auch für den einzelnen Mitarbeitenden. Dazu gehören unter anderem etwa die Bereiche Textilmanagement, Aufbereitungseinheit Medizinprodukte (AEMP), Allgemeine Verwaltung, Werkfeuerwehr, Kita, Schreib-, Post- und Servicezentrale oder auch einige Stabsstellen, die sich um Datenschutz, Strahlenschutz, Gefahrengut und strategisches Instrumentenmanagement sowie Brandschutz und Katastrophenschutz kümmern. Also ein Gemischtwarenladen sozusagen.
In diesem großen bunten Geschäftsbereich leite ich das Team Entsorgungsmanagement mit insgesamt fünf Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, einschließlich mir. Wir haben eine Fachkraft für Entsorgungswirtschaft, die sich um unseren hauseigenen Entsorgungshof kümmert. Ein Chemietechniker ist für das Thema Sonderabfall und unser Sonderabfalllager verantwortlich. Dann haben wir einen Fachwirt für Güterverkehr und Logistik, der sich um logistische Belange wie Aufträge, Ausschreibungen etc. kümmert, sich aber auch im Bereich Mobilität fortbildet und ganz viel im ursächlichen Umweltschutz macht. Last but not least gibt es in unserem Team noch einen Umweltingenieur (Bachelor), der sich bei uns viel um planerische Aufgaben und Projekte kümmert, also alles was mit der Neuerrichtung von Containerstellflächen und Umweltschutz an Gebäuden zu tun hat oder auch Projekte umsetzt, wie Wasserspender für das UKM, etc. Ich unterstütze das Team selbstverständlich da, wo ich helfen kann oder soll, gebe hier und da Impulse und bin ansonsten für die strukturellen Aufgaben zuständig.
Im Großen und Ganzen sind wir natürlich für die korrekte Abfallentsorgung im UKM verantwortlich, und zwar nicht nur aktiv, sondern insbesondere auch als Ansprechpartner für die Angestellten des Klinikums. Darüber hinaus sind wir aber auch ein Team, dass verschiedenste Umweltschutzthemen diskutiert und möglichst auch für das Haus umsetzt, sei es ein ganzheitliches Mobilitätskonzept oder wir achten bei Baumaßnahmen auf mehr Dachbegrünung, Photovoltaik oder planen ein Konzept für Ladesäuleninfrastruktur. Aktuell sind wir intensiv damit beschäftigt, die Förderung für die Erstellung eines integrierten Klimaschutzkonzepts zu bekommen.
Nachhaltigkeitskonzepte im Krankenhaus
Apropos: Geplante E-Ladestationen im gesamten Klinikgelände, begrünte Dachflächen, vier Blockheizkraftwerke, regionale Lieferanten für die Speisenversorgung – um nur einige Projekte im Sinne des Umwelt- und Ressourcenschutz zu nennen. Welche Projekte im Nachhaltigkeitskonzept der UKM verantwortet Ihr Bereich aktuell?
Silvia Hermes: Es gibt einen Masterplan für den Ausbau des Klinikums. Aktuell soll demnach ein neues Operatives Zentrum gebaut werden. Dazu muss das bisherige Parkdeck abgerissen und ein neues errichtet werden. An der Stelle versuchen wir natürlich nach den aktuellen Bauvorschriften und für eine langfristige Nachhaltigkeit gleich die entsprechende Ladeinfrastruktur vorzuschlagen und wenn irgend möglich auch mehr auf Fahrradmobilität zu setzen, z. B. durch die Schaffung von gut beleuchteten und sicher abschließbaren Abstellflächen.
Ansonsten verantworten wir hauptsächlich viele kleine Projekte. Wir betreiben z. B. eine Art Abfallverzeichnis über unser Intranet, auf das alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Universitätsklinikums zugreifen können. Da stehen, nach den einzelnen Abfallarten gegliedert, praktisch alle Begrifflichkeiten drin, die uns im Bereich Abfall so unterkommen. Dort finde ich z. B. zu bestimmten Verpackungen – übrigens auch optisch sehr ansprechend aufbereitet – Angaben zum Material und natürlich auch, wie es zu entsorgen ist. Genau genommen, finden hier die Mitarbeitenden alles, was sie zu den verschiedenen Entsorgungsthemen wissen müssen. Im Grunde genommen, ersetzt diese Plattform sehr praktikabel jeden Abfallplan. Im Intranet gibt es in loser Folge auch einen Newsletter über den wir die Mitarbeitenden über aktuelle Themen informieren können.
Ebenfalls über das Intranet haben wir ein SAP-basiertes Online-Meldesystem für Chemikalien. Hier können Kollegen und Kolleginnen immer bis Dienstagmittag zu entsorgende Chemikalien in einer Datenbank anmelden. Ab 13 Uhr führen wir dann über die hausinterne Logistik einen Chemikalientransport durch, bei dem wir nach der Liste die einzelnen Standorte abfahren und die Abfälle einsammeln.
Wir haben zwei Lastenräder angeschafft und auch über ein Förderprogramm fördern lassen. Eins ist für den Cateringservice und eins für die Kita. Die Räder verfügen vorn über einen maßgeschneiderten Koffer, in den sich vieles perfekt einladen lässt. Ganz aktuell hat unsere Gefahrgutbeauftragte sogar beim Verkehrsministerium eine Anfrage gestellt zum Transport von Gefahrgut per Lastenrad oder Fahrrad. Inzwischen haben wir auch die Antwort: Tatsächlich fällt so ein Rad nicht unter das ADR, weil es nicht motorisiert und nicht vierrädrig ist.
Demnächst starten wir möglicherweise ein Projekt mit einem Startup, das Zigarettenstummel und Kronkorken zu kleinen Dosen fertigt, also aus diesen Abfällen ein Upcycling-Produkt herstellt.
Einsparpotenzial im medizinischen Abfallmanagement
4.600 Tonnen betrug das Abfallaufkommen 2020 an der gesamten Uniklinik Münster. Wie verteilen sich die Abfallmengen auf die Abfallarten ungefähr?
Silvia Hermes: Grob die Hälfte ist Restabfall. Zusammen mit den Speiseresten und den Wertstoffen kommen wir auf rund 75 Prozent. Ca. 5 Prozent des gesamten Abfallaufkommens sind gefährliche Abfälle, wie z. B. Asbest, Elektroschrott oder Lösemittelgemische. Etwa 80 Prozent der Lösemittel stammen aus der Pathologie. Der Rest sind Bauabfälle. Sperrmüll, Metallschrott, Bauschutt sind Mengen, die jedes Jahr ganz erheblich variieren.
Wo könnte man noch Einsparungen treffen?
Silvia Hermes: Grundsätzlich, glaube ich, ist für alle Krankenhäuser Abfallvermeidung ein ganz schwieriges Thema. Was wir nicht entsorgen, müssen wir aufbereiten. Ein Beispiel: Wir haben probehalber einen Wäscheautomaten installiert. Der steht zentral, aber das Gelände ist natürlich dezentral. Das heißt, die Mitarbeitenden holen sich ihre Ausrüstung, ihre Hose, ihren Kasack etc. aus diesem Automaten und müssen dann aufgrund von hygienischen Vorgaben diese Dinge in eine Tüte packen, wenn sie sie z. B. in ihrer privaten Tasche bis zur Chirurgie mitnehmen. Also wurde am Automat ein Spender für Plastiktüten installiert.
Der Aufschrei war riesig. Hier fehlt dann das Verständnis für die Ökobilanz. Denn wenn wir stattdessen Stoffbeutel nehmen, ist deren Ökobilanz nur besser, wenn sie mindestens 30 Mal verwendet werden, ohne dass sie zwischendurch gewaschen werden, aber das geht aus hygienischen Gründen natürlich nicht. Die Alternative: Die Mitarbeitenden ziehen sich direkt beim Wäscheautomaten um. Aber auch das ist nicht immer praktikabel, da die benutzte Kleidung gegebenenfalls dezentral ausgezogen wird und dann wieder zum Automaten zurückgebracht werden muss. Bevor Mitarbeitende diese in ihrer eigenen Tasche transportieren, nehmen sie dann auch lieber eine Plastiktüte. Solche Themen gibt es im Krankenhaus zuhauf und dazu kommt dann immer auch noch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit.
Sie schreiben in Ihren Veröffentlichungen: „Die Menge an Rest- und krankenhaustypischem Abfall ist in den letzten Jahren leicht rückläufig. Grund hierfür ist auch das gewachsene Umweltbewusstsein der Mitarbeitenden, die mit viel Motivation eine verbesserte Abfalltrennung durchführen und sich auch immer mit nützlichen Tipps für Verbesserungen einbringen.“ Wie motivieren Sie die Mitarbeitenden. Wie klären Sie über Abfallströme und Trennungen auf?
Silvia Hermes: Sicherlich sehr stark über unsere Informationsplattform im Intranet, da die es schließlich leicht macht, Abfall richtig zu trennen. Wir schauen aber auch, dass wir durch interne Schulungen präsent sind. Einmal im Quartal gibt es zudem für die neu eingestellten Mitarbeitenden eine Einführungsveranstaltung, bei der wir uns auch mit einem kleinen Vortrag vorstellen und auf uns als Ansprechpartner hinweisen. Dann gibt es natürlich ein innerbetriebliches Ideen-Management, über das immer wieder auch einfach aus Eigeninitiative von Mitarbeitenden Vorschläge gemacht werden, die ich dann zur Begutachtung bekomme, manchmal ganz simple, manchmal aber auch hochkomplexe Ideen.
Einweg- oder Mehrwegbehälter: Wie ist Ihre Meinung hierzu?
Silvia Hermes: Wir haben uns lange beim Wundbesteck auf den Stationen Gedanken gemacht und nach guten Recyclinglösungen gesucht. Leider haben wir keine gefunden, die seriös wirkten und unsere Anforderungen erfüllten bzw. es rechtfertigen, dass unser ärztliches und pflegerisches Personal nicht mit dem Besteck arbeiten, das sie für am geeignetsten halten. Nur Aufbereiten ist allerdings auch problematisch, z. B. weil viele Scheren etc. abends beim Umkleiden noch im Kittel stecken und dann mehr oder weniger aus Verzweiflung weggeschmissen werden, weil die Mitarbeitenden die benutzte Schere ja schlecht in ihren Schrank legen können. Das heißt aber nicht, dass wir nur Einwegbesteck verwenden. Es wird auch viel aufbereitet, aber eben in Abhängigkeit zur Praktikabilität.
Was würden Sie Abfallmanagern raten, die gerade erst in dieser Position anfangen?
Netzwerken ist ungemein wichtig. Zusehen, dass man in regionalen Arbeitskreisen aktiv wird, z. B. in unserem hier in NRW. Sich nicht so viel Mühe geben, das Rad neu zu erfinden, sondern immer erst einmal schauen, was an bereits gut umgesetzten Ideen genutzt werden kann. Sich helfen lassen! Was muss ich alles im Blick behalten, was sind die Gesetzesgrundlagen, worauf muss ich im Arbeitsschutz achten, worauf bei Gefahrgut etc.? Fragen Sie jemanden, der sich damit schon auskennt, damit es nicht so mühsam wird, sich das alles irgendwie selbst anzueignen.
Gibt es besondere Errungenschaften aus Ihren 31 Jahren am UKM? Etwas, worauf Sie besonders stolz sind?
Wir haben es vor Kurzem nach vielen Jahren geschafft, ganz besondere Glascontainer – richtige Spezialanfertigungen – bei uns einzuführen, die die Glasabfälle vor Fremdzugriff schützen. Wir hatten da ganz genaue Vorstellungen, aber in Deutschland gab es weder Marktlösungen noch irgendjemanden, der uns solche Container bauen wollte oder konnte, sei es aus wirtschaftlichen oder rechtlichen Gründen. Fündig wurden wir letztendlich in der Schweiz. Wir besitzen insgesamt sieben von diesen Containern. Zunächst haben wir einen Prototyp über einen längeren Zeitraum getestet, dann noch Verbesserungswünsche einfließen lassen und dann zweimal drei weitere Container bestellt.
Sehr froh bin ich auch über einen Vertragspartner, der unsere Europaletten kostenlos oder für sehr kleines Geld für uns aufbereitet. Auch über eine andere Geschichte: Wir mussten einmal über 1.000 Betten ersetzen, weil sie bestimmten DIN-Normen nicht mehr entsprachen. Da wir einen guten Draht zu einer gemeinnützigen Organisation haben, konnten wir die Matratzen, da sie auf die neuen medizinischen Betten nicht passten, nach hygienischer Aufbereitung komplett nach Osteuropa spenden.
Was wünschen Sie sich von der Klinikleitung und den Mitarbeitenden der Uniklinik Münster?
Die Unterstützung für unsere Themen ist innerhalb und außerhalb unseres Geschäftsbereichs inzwischen sehr groß. Umwelt- und Klimaschutz hat einfach mittlerweile wesentlich mehr Gewicht, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war. Das sehen wir z. B. aktuell bei unseren Projekten zur Ladesäuleninfrastruktur, zur Akzeptanz für mehr Fahrradmobilität oder auch der gezielten Suche nach Dachflächen, die mit Photovoltaik bestückt werden sollen.
Auch die Idee, sich die Erstellung eines integrierten Klimaschutzkonzepts inklusive einer Stelle im Bereich Klimaschutzmanagement fördern zu lassen, gab es früher so nicht. Auch das Thema Nachhaltigkeit, also nicht nur der Bereich Umwelt- und Klimaschutz, sondern auch die weiteren sozialen und ökonomischen Aspekte aus der Charta der UN bekommen inzwischen deutlich mehr Aufmerksamkeit. Um hier koordiniert vorgehen zu können, wurde gerade neu eine Stabsstelle Nachhaltigkeit beim Vorstand eingerichtet, mit der wir uns bereits im Austausch befinden. Insofern wünsche ich mir ein nachdrückliches „weiter so“ in dieser Richtung.
Vielen Dank für das Gespräch!