Mit über 918 Betten und 128 tagesklinischen Plätzen ist das Asklepios Klinikum Harburg das drittgrößte Krankenhaus in Hamburg. Hier startete in Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmen im vergangenen Jahr ein besonderes Recyclingprojekt. Das gemeinsame Ziel: Die Reduktion des Verwerfens von Einweginstrumenten und deren erneute stoffliche Verwertung. Mithilfe eines digital unterstützten Rücknahme- und Recyclingsystems sollen die Instrumente zu einem großen Teil recycelt und in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden. Abfallmanager Medizin hat mit Anne Friederike Dehn vom Asklepios Klinikum über die Einzelheiten, Herausforderungen und Erfolge des Projekts gesprochen. Weitere Themen sind Vor- und Nachteile von Mehrweginstrumenten, ihre Entsorgung sowie die Zukunft der digitalen Recyclingsysteme.
Zur Person: Anne Friederike Dehn
- seit 2009 Diplom-Ingenieurin für Seeverkehr
- 2009 bis 2020 Sachverständige für Transport und Warenschäden
- seit Februar 2020 als Fachkraft für Arbeitssicherheit i.A. am AK Harburg
- seit Juli 2020 Betriebsbeauftragte für Abfall am AK Harburg
Wie viel Abfall wird jedes Jahr von den Hamburger Asklepios Kliniken produziert? Wie viel fällt davon im OP-Bereich an?
Anne Friederike Dehn: Der Krankenhausalltag ist durch hygienische Notwendigkeiten ein ressourcenintensiver Prozess, insbesondere im OP-Bereich. Restmüll aus Krankenhäusern darf aufgrund des Abfallrechtes nicht mehr sortiert werden. Er muss thermisch vernichtet werden. Der Anteil des Krankenhausrestmülls am Gesamtmüllaufkommen der Asklepios Kliniken Hamburg beträgt ca. 65 Prozent. Den restlichen Anteil führen wir zum Großteil einer Verwertung zu. Für gewisse Produkte sind Mehrwegverpackungen und Rücknahmesysteme seitens der Hersteller und Lieferanten denkbar. Eine höhere, stoffliche Verwertung von Abfällen macht eine frühzeitige Abfalltrennung am Entstehungspunkt notwendig. So können wertvolle Materialien, bevor sie zu Krankenhausrestmüll zusammengefasst werden, separiert werden. In den letzten Jahren konnten wir bei der Mülltrennung vorwiegend Einfluss auf eine stoffliche Verwertbarkeit nehmen. Reale Müllvermeidung ist im Krankenhaus derzeit nur in kleineren „Nischen“ möglich.
Reduzierung von medizinischen Abfällen
Etwa 70 Prozent der Kliniken in Deutschland verwenden bei Operationen Mehrwegbesteck. Wo liegen die Vor- und Nachteile?
Anne Friederike Dehn: Patientensicherheit hat den höchsten Stellenwert. Zudem darf der Stand der Wissenschaft und Technik nicht außer Acht gelassen werden. Der Blick auf die Rolle des Herstellers zeigt: Was dort passiert, ist sehr wichtig, da schon hier die Basis zur weiteren Trenn- und Verwertbarkeit gelegt wird. Die für das Projekt ausgewählten Einweg-Geräte der Firma Ethicon sind zweckbestimmt. So ist ein Gerät beispielsweise ausschließlich für das Klammern von Nähten vorgesehen.
Bei Mehrweginstrumenten handelt es sich um Instrumente, die keine Kunststoffanteile enthalten und wieder einem anderen Zweck zugedacht sind. Mehrweginstrumente müssen in ihrer Bauart und stofflichen Zusammensetzung den Anforderungen von mehrfacher Reinigung, Desinfektion und Sterilisation genüge tragen.
Stellen Sie bitte kurz das Recycling-Projekt vor, dass Sie im Asklepios Klinikum Harburg gestartet haben.
Anne Friederike Dehn: Die OP-Teams des Asklepios-Klinikums verwenden Einweginstrumente, die sie nach einmaligen Gebrauch entsorgen. Um eine umweltfreundliche Wiederverwertungsmöglichkeit zu entwickeln, haben wir ein Projekt ins Leben gerufen, mit dem die Einmalinstrumente mithilfe eines digital unterstützten Rücknahmesystems gesammelt und anschließend durch Recycling in den Materialkreislauf zurückgegeben werden. Eine App begleitet den Recyclingprozess und misst unter anderem die Erfolge des Projekts durch monatliche Auswertungen. Allein im Harburger Klinikum können wir durch das Projekt etwa 2500 kg CO2 pro Jahr einsparen. Weil das Recycling in Deutschland stattfindet, fallen zudem nur geringe CO2-Emissionen beim Transport an. Unser Ziel ist es, mehr als 80 Prozent der Abfälle durch Einweginstrumente zu recyceln.
Wie ist die Idee für das Projekt entstanden?
Anne Friederike Dehn: Das Projekt wurde von Johnsons & Johnson Medical gemeinsam mit REMONDIS und Resourcify initiiert. Das Asklepios Klinikum Harburg ist als Partner für die Pilotphase ausgewählt worden, um den Prozess in der Praxis zu testen. Dr. Stefan Meierling, Chefarzt der Thoraxchirurgie, hat sich insbesondere dafür eingesetzt, dass die Pilotphase in Harburg durchgeführt wird, da ihm und seinem OP-Team das Thema Nachhaltigkeit seit Längerem persönlich am Herzen liegt.
Wieso eignet sich das Asklepios Klinikum besonders als Standort für das Recycling-Projekt?
Anne Friederike Dehn: Unser Klinikum eignet sich sowohl aufgrund der Größe des Hauses und des damit verbundenen relevanten Verbrauchs der im Pilotprojekt recycelten Single-Use-Produkte als auch wegen der vorhandenen Infrastruktur. Der Prozess und der damit verbundene Aufwand aller beteiligten Partner lässt sich verlässlich erst in einer bestimmten Größenordnung festlegen. Die Infrastruktur des Hauses erlaubt es, auf die Expertise und Erfahrung seitens der Abfallbeauftragten, aber auch der Krankenhaushygiene sowie der Kommunikationsabteilung zuzugreifen. Die Einführung neuer Prozesse erfordert eine enge Abstimmung der Schnittstellen und die entsprechende interne und externe Kommunikation.
Digitale Systeme für ein nachhaltiges medizinisches Abfallmanagement
Wie genau funktioniert das Prinzip des digital gestützten Rücknahmesystems, das Sie entwickelt haben?
Anne Friederike Dehn: Gesteuert wird das Ganze durch eine Software. Mit Hilfe dieser wird der Prozess von der Bestellung der Behälter über in Echtzeit abrufbare Recyclingdaten und CO2-Einsparungen bis hin zu Auswertungen digital begleitet werden. Die Erfolge des Rücknahmesystems werden transparent für alle Mitarbeiter dargestellt. Deshalb ist die spezialisierte Abfallmanagement-Software eine wertvolle Unterstützung, um generell das Management von Abfällen und Wertstoffen zu optimieren und eine bestmögliche Verwertung zu gewährleisten.
Auf welche Weise und an welchem Ort werden die OP-Instrumente nach Gebrauch gesammelt und entsorgt?
Anne Friederike Dehn: In enger Zusammenarbeit mit dem Team der Krankenhaus-Hygiene haben wir die Sammlung der Geräte im hochsensiblen OP-Bereich festgelegt. Die Geräte werden nach der Operation vor Ort durch das Pflegepersonal vom anderen Abfall getrennt, desinfiziert und dann in Spannringfässer abgeworfen. Anschließend werden die fest verschlossenen Fässer in unserem Kühlbereich bis zur Abholung des Entsorgers zwischengelagert. Beim Entsorger kann dann das Metall wieder eingeschmolzen und zu 100 Prozent recycelt werden. Lediglich der kleine Kunststoff-Aufsatz muss aus hygienerechtlichen Gründen in die Verbrennung.
Die Einführung eines digitalen Systems bedeutete mit Sicherheit zunächst eine Umstellung. Welche Hindernisse gab es dabei?
Anne Friederike Dehn: Das Pilotprojekt läuft im Testbetrieb, das bedeutet, dass das Asklepios Klinikum Harburg monatliche Reportings über die gesammelte Menge an Single-Use-Geräten, die dem Recycling zugeführt werden, erhält und so Erfolge nachvollziehen kann. Ein digitales System im Bereich des Abfallmanagements ist derzeit noch nicht in Harburg eingeführt. Aber wir stehen hier am Anfang und werden uns weiterhin für sinnvolle Digitalisierung im Abfallmanagement stark machen.
Welche ersten Erfolge können Sie bereits verzeichnen?
Anne Friederike Dehn: Die Ergebnisse der Pilotphase sind stark von der Corona-Pandemie betroffen, da die OP-Bereiche sich auf zeitkritische Eingriffe fokussiert haben. Eine zuverlässige Auswertung lässt sich somit zur Zeit nicht vornehmen. Aber wenn wir das OP-Besteck im Spannringfass gesammelt haben und dann wissen, dass es nicht, wie häufig, in der thermischen Verwertung, sondern im Materialkreislauf landet, gibt einem das als Abfall- und Umweltbeauftragte ein sehr gutes Gefühl.
Ist es wahrscheinlich, dass das Rücknahmesystem künftig auch in weiteren Kliniken Einsatz finden wird?
Anne Friederike Dehn: Ein Rollout in weiteren Asklepios Kliniken ist in Planung – die Standorte in Hamburg Altona und Barmbek folgen in Kürze. Wir haben darüber hinaus auch Anfragen von Kliniken in Deutschland, die nicht dem Verbund angehören. Das freut uns für das Projekt und für die Umwelt.
Vielen Dank für das Gespräch.