Sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind Krankenhäuser bemüht, einerseits ein nachhaltiges Umwelt- und Qualitätsmanagement aufzubauen und andererseits eine effiziente Entsorgungs- und Verwertungslogistik von Abfällen zu etablieren. Die rechtlichen Bestimmungen für Abfälle aus dem medizinischen Bereich leiten sich aus einer Vielzahl von europäischen und nationalen Gesetzen und Verordnungen sowie normativen Regelungen ab.
Die Unterschiede zwischen dem österreichischen und deutschen medizinischen Abfallmanagement hat Abfallmanager Medizin bereits in der vergangenen Ausgabe herausgearbeitet. Das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien (AKH) ist mit seinen Kliniken das größte in Österreich. Neben den medizinischen Leistungen ist das Wiener AKH auch mit verschiedenen Maßnahmen und Projekten im Bereich der Abfallbewirtschaftung zukunftsweisend.
Gerhard Horinek ist mit der Aufgabe als Abfallbeauftragter für das Wiener AKH seit 1995 betraut. Zu den Schwerpunkten der Abfallbewirtschaftung zählen die Reduktion der schwarzen Einmalgebinde, die Erhöhung der separat gesammelten Wertstoffanteile sowie die Evaluierung von flüssigen Abfällen auf deren Einleitbarkeit. Zudem leitet er das Österreichische Abfallforum und ist dadurch in Österreich optimal mit sämtlichen Abfallbeauftragten vernetzt.
Zur Person: Gerhard Horinek
- seit 25 Jahren Abfallbeauftragter für das Allgemeine Krankenhaus Wien
- Vorsitzender vom Österreichischen Abfall- und Umweltforum
- mehrjährige Tätigkeit als Techniker/Chemiker beim Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik
- seit 25 Jahren im Bereich Umweltmanagement und Gefahrgutberatung in der Fa. VAMED-Krankenhaus Management und BetriebsführungsGmbH tätig
- Mitarbeit beim Branchenkonzept „Medizinische Abfälle“ im Auftrag des Bundesministerium für Umwelt- und Wasserwirtschaft
Medizinische Abfallwirtschaft in Österreich
Herr Horinek, die Entsorgung von Abfällen ist in Österreich streng geregelt. Für rund 750 Arten des Hausmülls von Bauschutt, Krankenhausabfällen bis zu gefährlichen Abfällen der chemischen Industrie gibt es jeweils genaue Regelungen bezüglich Transport, Lagerung und Recycling und Entsorgung. Alle Abfallströme werden genau erfasst und an das Umweltministerium gemeldet. Wie komplex ist die Arbeit eines medizinischen Abfallbeauftragten in Österreich?
Gerhard Horinek: Die Tätigkeiten des Abfallbeauftragten sind sehr vielfältig und benötigen viel Expertenwissen in einer Person vereint. Die Basis ist das Abfallwirtschaftsgesetz mit seinen Verordnungen. Diese rechtlichen Grundlagen müssen gelesen, verstanden und vor allem sinnvoll in der Praxis umgesetzt werden. Zur Umsetzung eines sinnvollen Abfallmanagements im Krankenhaus bedarf es aber vor allem der Mitarbeit und Unterstützung aller Mitarbeitenden. Vom internen Transportpersonal bis zur Ärztin bzw. Arzt am OP-Tisch müssen alle Beteiligten den Abfall korrekt trennen. Diese ganz unterschiedlichen Personengruppen immer ins Boot zu bekommen, kann eine Herausforderung darstellen.
Im Wiener Krankenanstaltenverbund verbindlichen Abfallwirtschaftsplan wird die Entsorgung der Abfälle genau geregelt. Was beinhaltet der Plan genau und wie findet die Umsetzung auf den Stationen statt?
Gerhard Horinek: Die Abfallwirtschaftspläne beziehungsweise Entsorgungskonzepte beschreiben, wie die verschiedenen Abfallfraktionen zu trennen sind und in welchen Gebinden sie gesammelt werden. Die Umsetzung auf der Station wird zum einen durch den Entsorgungsplan vorgegeben, muss aber auch durch Schulungen im Detail erklärt werden. Begleitend gibt es Kontrollen vor Ort, um die Einhaltung der Vorgaben zu kontrollieren und bei Abweichungen zu korrigieren.
Werden die Europäischen Abfallklassifikationen im Alltag verwendet („Abfallschlüssel) oder verwenden Sie die Bezeichnungen der ÖNORM?
Gerhard Horinek: Die Mitarbeitenden des Krankenhauses verwenden keine Abfallschlüsselnummern, sondern benennen die Abfälle mit den gängigen Bezeichnungen, wie z.B. Restmüll, gefährlicher Spitalsabfall oder verletzungsgefährliche Abfälle.
In Deutschland haben Behälter in den Kliniken häufig – je nach Klinikum – unterschiedliche Farben. Nicht-Infektiöser Abfall wird in Österreich in orangefarbigen Säcken gesammelt. Kann man hier von einem Farbleitsystem sprechen?
Gerhard Horinek: In Österreich gibt es kein einheitliches Farbleitsystem für medizinische Abfälle. Zumindest bei den Wertstoffen haben sich aber in den letzten Jahrzehnten einheitliche Farben ergeben, so zum Beispiel Gelb für Kunststoffverpackungen oder Rot für Altpapier. In den unterschiedlichen Krankenhäusern werden teilweise auch für andere Abfallfraktionen Farbleitsysteme verwendet.
Fast 9000 Beschäftigte arbeiten am AKH Wien. Wie gewährleisten Sie, dass das Personal umfangreich über die korrekte Abfallentsorgung unterrichtet ist?
Gerhard Horinek: Um die verschiedenen Personengruppen im AKH Wien umfassend über die richtige Abfalltrennung zu informieren, werden unterschiedliche Wege und Methoden genutzt. So gibt es für alle neu eintretenden MitarbeiterInnen eine Erstschulung, bei der viele Themen vermittelt werden. Dabei wird in 90 Minuten auch die korrekte Abfalltrennung behandelt. Zusätzlich werden auch anlassbezogene Schulungen individuell in Labors oder Stationen abgehalten. Der Mitarbeiter kann sich aber auch selbstständig auf der Intranetplattform zum Thema Abfalltrennung im AKH Wien informieren. Zu speziellen Themen oder im Anlassfall werden auch Aussendungen oder interne Erlässe an die MitarbeiterInnen verschickt.
Einwegprodukte sind weltweit auf dem Vormarsch, wobei in Österreich weitaus weniger Einweg-Produkte als in Deutschland verwendet werden. Woran liegt das?
Gerhard Horinek: Wir sehen auch in Österreich den Trend zu immer mehr Einwegprodukten und damit einhergehend den Zuwachs an Krankenhausrestmüll.
Nachhaltige medizinische Abfallwirtschaft in Österreich
16.000 Kilo Abfälle entstehen pro Tag am AKH Wien. Das entspricht dem Abfallaufkommen einer Kleinstadt. Wo denken Sie kann zukünftig Abfall reduziert werden?
Gerhard Horinek: Der anfallende Spitalsabfall wird durch die Behandlung und Pflege der Patientinnen und Patienten verursacht. Da die Patientenversorgung im Vordergrund steht, ist hier der Einfluss begrenzt. Im Verwaltungsbereich, der Küche, der Technik und anderen allgemeinen Bereichen können aber benötigte Produkte oder Verfahren bei der Beschaffung auf die im Anschluss produzierten Abfälle und die benötigen Ressourcen überprüft werden. Neben der quantitativen Gesamt-Abfallvermeidung ist ein wesentlicher Bestandteil die qualitative Abfallvermeidung und -reduktion. Dazu zählt zum Beispiel die weitestgehende Reduktion an gefährlichen Abfällen oder eine Erhöhung der recyclingfähigen Abfälle durch eine optimierte Abfalltrennung.
Wien setzt als Stadt grundsätzlich auf eine konsequente und nachhaltige Abfallwirtschaft und wurde 2010 sogar zur nachhaltigsten Stadt der Welt gewählt. Wird dies auch an den Spitälern umgesetzt?
Gerhard Horinek: Die Stadt Wien hat für alle ihre Unternehmungen zum Beispiel eigene ÖKO-Kaufrichtlinien erarbeitet, die auch für die Krankenhäuser gelten bzw. bereits bei der Beschaffung zu berücksichtigen sind. In Wien gibt es zwischen der prüfenden Behörde, der Stabsstelle Umwelt und den einzelnen Krankenhäusern eine enge Zusammenarbeit und Kooperation, um die Abfallwirtschaft in den Krankenhäusern umweltgerecht, aber auch effizient umzusetzen.
Digitalisierung als Mittel der Abfallreduktion
Die Digitalisierung hält auch in den Krankenhäusern Einzug. Sehen Sie dort Chancen, die Prozesse in den Kliniken zu vereinfachen und ggf. sogar Abfallmengen zu reduzieren?
Gerhard Horinek: Der Papier- und Datenschutzpapieranfall ist in allen Krankenhäusern groß. Der Umgang mit Daten bzw. Befunden auf elektronischer Basis könnte zur Abfallreduktion beitragen. Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren aber vor allem eine bessere Transparenz bei den Abfallmengen und -arten im Krankenhaus gebracht. Dadurch konnten mit verschiedenen Optimierungsprojekten Abfallströme zielgerichteter optimiert, die gefährlichen Abfälle reduziert und Wertstoffe vermehrt gesammelt und der Verwertung zugeführt werden.
Vielen Dank für das Gespräch.