In Deutschland werden jährlich 7 Millionen Vollnarkosen mit Narkosegasen durchgeführt. Da diese schädlicher als CO2 wirken und ein großer Anteil der Treibhausgase im Gesundheitswesen in der Anästhesie entstehen, ist der Einsatz der sogenannten Inhalationsanästhetika mit hohen Risiken für die Umwelt verbunden. Zum Schutz des Klinikpersonals ist es üblich, die von den Patienten ausgeatmeten Gase direkt am Narkosegerät abzusaugen und in die Außenluft abzuleiten, was den Treibhauseffekt fördert und zur Klimaerwärmung beiträgt. Aus diesem Grund gewinnt das Recycling von Narkosegasen und die Nutzung klimafreundlicherer Alternativen zunehmend an Bedeutung. Wir geben einen Überblick über die Möglichkeiten zur Wiederverwertung und informieren über die wichtigsten Schutzmaßnahmen, die es im Umgang mit Inhalationsanästhetika zu beachten gilt.
Narkosegase werden im OP-Bereich von Patientinnen und Patienten mittels Gesichtsmaske als Dämpfe eingeatmet. Sie befinden sich entweder sofort im gasförmigen Zustand, wie z. B. Lachgas (N2O) oder Xenon, oder liegen als Flüssigkeit (volatile Anästhetika) vor und müssen in einem Vapor (Verdampfer) verdunstet werden. Deutsche Kliniken nutzen für Narkosen überwiegend volatile Anästhetika wie z. B. Sevofluran und Desfluran, die zur Gruppe der Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) gehören, sowie den Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW) Isofluran. Weil FCKW zum Abbau der stratosphärischen Ozonschicht beitragen, gelten sie als besonders klimaschädlich. Aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften sind jedoch alle Narkosegase direkte und potente Treibhausgase, die rund die Hälfte der im Operationsaal anfallenden Treibhausgas-Emissionen und bis zu 35 Prozent der Emissionen eines Krankenhauses verursachen. Das Umsetzen von Einsparmaßnahmen ist daher vor allem im operativen Bereich sinnvoll, z. B. durch die Substitution von Desfluran durch das weniger klimaschädliche Sevofluran.
Wie beim Abfall gilt auch für Narkosegase das Prinzip, in erster Linie die Vermeidung, dann die Wiederverwendung und das Recycling anzustreben. Eine Möglichkeit ist es, alternative Verfahren in Betracht zu ziehen, z. B. die totale intravenöse Anästhesie (TIVA), Lokalanästhesie, Spinal- oder Peridualanästhesie. Um den Einsatz von Narkosegasen zu reduzieren, führen immer mehr Kliniken Minimal-Flow-Narkosen durch, bei denen um bis zu 60 Prozent weniger Inhalationsanästhetika benötigt werden.
Recycling mit Narkosegasfilter
Um Narkosegase wiederzuverwenden und die Freisetzung in die Umwelt zu verhindern, können Krankenhäuser spezielle Filter mit Aktivkohle nutzen. Am Ausgang des Narkosegeräts angebracht, fangen und bewahren diese die von den Patientinnen und Patienten zum Großteil wieder ausgeatmeten volatilen Anästhetika auf. Anschließend erfolgt die Rückgabe der Filterkartuschen an den Hersteller, der sie über ein spezielles Verfahren aufbereitet und wieder einsatzbereit macht.
Entsorgung von Atemkalk
Bei der Inhalationsanästhesie kommen Rückatemsysteme zum Einsatz, die mithilfe eines mit Atemkalk gefüllten Kohlendioxidabsorbers im Narkosegerät das CO2 aus der Ausatemluft des Patientinnen und Patienten entfernen. Atemkalk ist ein Medizinprodukt, das in Deutschland vor allem Calziumhydroxid (Ca(OH)2) enthält. Die Lagerung erfolgt trocken und bei gleichmäßigen Temperaturen in geschlossenen Behältern. Direkte Sonneneinstrahlung ist dabei zu vermeiden. Aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung zählt Atemkalk zu den gefährlichen Abfällen und muss gemäß Abfallschlüssel AS 180106* entsorgt werden. Fallen größere Mengen einzelner unter AS 180106* subsumierter Fraktionen an, finden stoffspezifische Abfallschlüssel Anwendung.
Sicherer Umgang mit Narkosegasen
Prinzipien zum Umgang mit Narkosegasen sind in Abschnitt 6 der TRGS 525 („Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen zur humanmedizinischen Versorgung“) geregelt. Demnach müssen alle Räume, in denen mit Inhalationsanästhetika umgegangen wird, systemisch erfasst werden. Zudem ist ein Verzeichnis aller N2O-Leitungssysteme und Entnahmedosen zu erstellen und die Explosionsgefahren der eingesetzten Narkosegase zu beachten. Wichtig ist außerdem die Einhaltung der Luftgrenzwerte für Narkosegase durch geeignete technische Maßnahmen, wie einer raumlufttechnischen Anlage (RLT-Anlage).
Für Leitungssysteme für Lachgas (N2O) gelten folgende Sicherheitstechnische Maßnahmen:
- Betriebsvorschriften für Hochdruckleitungen für Lachgas (N2O) sind aus der TRG 280 „Allgemeine Anforderungen an Druckgasbehälter – Betreiben von Druckgasbehältern“ und der UVV „Gase“ zu entnehmen.
- Überprüfung von Lachgas (N2O)-Leitungssystemen mindestens jährlich zur Gewährleistung der technischen Dichtheit.
- Überprüfung von Lachgas (N2O)-Entnahmedosen mindestens jährlich im Ruhe- und Betriebszustand (mit Stecker) auf Dichtheit. Bei täglicher Nutzung sollte die Überprüfung vierteljährlich erfolgen.
- Festhalten der Ergebnisse der Funktions- und Dichtheitsprüfungen in ein Prüfbuch, das auf Verlangen der zuständigen Behörde zur Einsichtnahme vorzulegen ist.
- Instandsetzungen und Wartungen sind gemäß DIN 13260 und UVV „Gase“ nur von sachkundigen Personen durchzuführen und sind zu dokumentieren.
Narkosegeräte müssen jeweils vor der ersten Inbetriebnahme, nach Instandsetzung und Wartung mindestens zweimal jährlich geprüft werden. Die Dichtheitsprüfung des Niederdrucksystems erfolgt nach jeder Gerätereinigung und erneuten Bereitstellung. Leckagen, die eine Größe von mehr als 150 ml pro Minute bei 3 kPa aufweisen, sind zu vermeiden. Zudem muss die Abführung überschüssiger Narkosegase über eine Narkosegasabsaugung sichergestellt werden, die vor Beginn jeder Narkose mit Inhalationsanästhetika angeschlossen und eingeschaltet sein muss. Die Absauganlagen sind regelmäßig zu warten und die Schläuche auf Beschädigungen zu überprüfen.