Seit Mitte der 1980er-Jahre werden verschiedene Arzneimittel mithilfe gentechnisch veränderter Organismen hergestellt. Obwohl die sogenannte „rote Gentechnik“ zur Sicherung der Gesundheitsversorgung auf Akzeptanz stößt, gerät sie dennoch immer wieder in gesellschaftliche Kritik. Für alle Anwendungsbereiche gentechnischer Verfahren – Landwirtschaft, Lebensmittelherstellung, Pharmazie und Diagnostik – gelten jedoch strenge Sicherheitsvorschriften, die u. a. den Umgang mit und die Entsorgung von genveränderten Materialien regeln.
Die Gentechnik nimmt im Gesundheitswesen seit knapp 40 Jahren eine wichtige Rolle bei der Herstellung von verschiedenen Medikamenten sowie Impfstoffen ein. Mithilfe gentechnisch veränderter Immunabwehrzellen (T-Zellen) und therapeutischen Antikörpern (monoklonale Antikörper) lassen sich neuartige Therapiemethoden entwickeln, von denen sich viele – beispielsweise bei der Behandlung vieler onkologischer Krankheiten oder COVID-19 – als sehr wirksam erwiesen haben. Heutzutage wird knapp die Hälfte der neu zugelassenen Wirkstoffe in Deutschland mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen oder Zellkulturen produziert. Laut dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V. sind auf dem deutschen Markt 412 Biopharmazeutika mit 367 Wirkstoffen (Stand 15. Januar 2025) zugelassen, die gentechnisch hergestellt werden.
Herstellung gentechnischer Arzneimittel
Gentechnische Wirkstoffe werden fast ausschließlich in Fermentern – speziellen, aus Stahl gefertigten großen Behältern – mithilfe verschiedener gentechnisch veränderter Säugetierzellen, Hefen oder Bakterien künstlich hergestellt. Die so produziertenArzneimittel gelten als verträglicher, da die Wirkstoffe auf Basis von Humanproteinen besser verstoffwechselt werden können.Die Nutzung von Proteinen für die Herstellung von Medikamenten war ohne den Einsatz von Gentechnik bisher nur eingeschränkt möglich. Diese Wirkstoffe haben den Vorteil, dass sie ein deutlich geringeres Infektionsrisiko bergen als die bislang aus biologischen Materialien gewonnenen Arzneistoffe.
Sicherheitskonzepte im Umgang mit gentechnischen Wirkstoffen
Grundlage für die Herstellung gentechnischer Arzneimittel sind spezifische Sicherheits- und Überwachungskonzepte, die den Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz als Zielbild haben. Entsprechende Regelungen und Sicherheitsmaßnahmen sind in § 1 des Gentechnikschutzgesetzes (GenTG) sowie der Gentechniksicherheitsverordnung (GenTSV) festgelegt. Danach sind die Betreiber gentechnischer Anlagen verpflichtet, gemäß dem Vorsorgeprinzip Maßnahmen zu ergreifen, die Menschen, Tiere und Umwelt sowie Sachgüter vor möglichen Gefahrenschützen. Als gentechnische Anlagen gelten nach § 3 des GenTG alle Orte, an denen mit gentechnisch veränderten Organismen gearbeitet wird. Das betrifft sowohl die Erzeugung, Verwendung, Vermehrung, Lagerung, Zerstörung, Entsorgung, Transport, Freisetzung und Inverkehrbringen dieser Organismen. Gentechnische Arbeiten werden entsprechend ihrem Gefährdungspotenzial in vier Sicherheitsstufen eingeteilt. Für den Medizinsektor sind vorrangig die Sicherheitsstufen zwei bis vier von Relevanz. Bei Arbeiten mit Karies-Erregern oder Masernviren gilt beispielsweise Sicherheitsstufe 2, im Umgang mit tropischen Infektionskrankheiten Sicherheitsstufe 4.
Im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen müssen verschiedene Rechtsvorschriften und Technische Regeln beachtet werden. Darunter die Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV), die Gentechnik-Notfallverordnung (GenTNotfV), die Biostoffverordnung, das Infektionsschutzgesetz sowie Technische Regeln, wie bspw. die TRSG 526. Bei Verstößen können auf die Betreiber hohe Geldstrafen – teilweise in Millionenhöhe – zukommen.
Entsorgung von gentechnisch veränderten Materialien
Reststoffe oder Abfälle aus gentechnischen Anlagen sind vor einer Entsorgung gemäß § 13 der Gentechnik-Sicherheitsverordnung zu inaktivieren. Dafür müssen die gentechnisch veränderten Stoffe mithilfe eines chemischen oder physikalischen Sterilisationsverfahrens unschädlich gemacht werden. So soll verhindert werden, dass diese eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Im Regelfall wird dies mit einem Autoklaven realisiert. Geht von den Abfällen aus infektionspräventiver Sicht keine Gefahr mehr aus, können diese im Regelfall gemäß AS 180104 entsorgt werden. Die Pflicht zur Inaktivierung von gentechnisch veränderten Organismen besteht nach GenTSV auch für die abgeführten Abwasser aus den Anlagen. Halten sich die Betreiber der gentechnischen Anlagen nicht an die in § 13 GenTSV festgeschriebenen Inaktivierungsvorschriften, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die nach § 20 GenTSV geahndet wird.
Quellen
- Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall: Mitteilung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall 18 – Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes
- Bundesministerium der Justiz und Bundesamt für Justiz: Gesetz zur Regelung der Gentechnik
- Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.: Zugelassene gentechnische Arzneimittel in Deutschland
- Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Gentechnisch hergestellte Arzneimittel und Impfstoffe
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Gentechnische Anlagen und Arbeiten
- Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Sicherheitskonzept für gentechnische Arbeiten in gentechnischen Anlagen
- Bundesministerium der Justiz und Bundesamt für Justiz: Verordnung über Sicherheitsstufen und Sicherheitsschutzmaßnahmen bei gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen
- Bundesministerium der Justiz und Bundesamt für Justiz: Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen (Biostoffverordnung – BioStoffV)
- Bundesministerium der Justiz und Bundesamt für Justiz: Verordnung über die Erstellung von außerbetrieblichen Notfallplänen und über Informations-, Melde- und Unterrichtungspflichten
- Berlin – Landesamt für Gesundheit und Soziales: Gentechnik
- Verwaltungsportal Hessen: Errichtung und Betrieb von gentechnischen Anlagen beantragen