Osteoporose, Arthrose, rheumatoide Arthritis und Rückenprobleme – orthopädische Erkrankungen, darunter vor allem Schmerzen im unteren Rücken, gehören zu den häufigsten Krankheiten in Deutschland. Über 15.500 Fachärztinnen und Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie behandeln in Praxen und Kliniken täglich verschiedene unfallbedingte Schäden am Skelett, zunehmende Abnutzung von Gelenken sowie Fehlbildungen und Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates. Bei diesen Untersuchungen und Eingriffen fallen auch verschiedene medizinische Abfälle an, deren Entsorgung spezifische Kenntnisse erfordert, um die Sicherheit und Hygiene in orthopädischen Einrichtungen zu gewährleisten.
Nach einer orthopädischen Operation, bei einem Verbandswechsel oder auch einer Untersuchung in der orthopädischen Praxis entstehen medizinische Abfälle, die wegen potenzieller Gesundheitsgefährdung sicher entsorgt werden müssen. Dies gilt unter anderem für Verbände, Tupfer und andere meist mit Blut, Sekreten oder Exkreten behaftete Materialien aus der Patientenversorgung. Diese werden in der Regel nach Abfallschlüssel 180104 kategorisiert und als Siedlungsabfälle in der Hausmüllverbrennungsanlage thermisch verwertet. Sofern an Gipsverbänden, die nach orthopädischen Operationen oft zum Einsatz kommen, aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden, können auch diese nach Abfallschlüssel 180104 entsorgt werden. Die Gipsabfälle sind dafür in reißfesten, verschlossenen, dichten und feuchtigkeitsbeständigen Behältern getrennt von den anderen gemischten Siedlungsabfällen zu sammeln.
Aber auch kleine Mengen an spitzen Gegenständen, die in der Regel als Abfallschlüssel 180101 kategorisiert sind und in speziellen Sammelbehältern entsorgt werden müssen, sowie kleinere Mengen an Medikamenten und Zytostatika dürfen als ungefährliche Medizinabfälle entsorgt werden. Für Zytostatika ist dies jedoch nur gestattet, wenn nicht mehr als 20 Milliliter Restsubstanz in den Behältern oder Infusionssystemen enthalten ist.
Infektiöse Abfälle in der Orthopädie
Leidet eine Patientin bzw. ein Patient an einer meldepflichtigen Krankheit wie Tuberkulose oder Hepatitis, fallen bei deren bzw. dessen Behandlung infektiöse, sprich gefährliche Abfälle an. Diese sind nach Abfallschlüssel 180103* zu entsorgen. Dies gilt beispielsweise für mit Körperflüssigkeiten kontaminierte scharfe und spitze Gegenstände oder Verbandsmaterialien, aber auch organische Abfälle wie Knochen oder Gelenke. Im Umgang mit diesen Abfällen gelten nach § 17 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) besondere Vorsichtsmaßnahmen. Die infektiösen Abfälle sind aufgrund ihrer Gefährlichkeit am Ort des Abfallentstehens in feuchtigkeitsbeständigen, dicht verschlossenen, reißfesten und ausschließlich in dafür UN-zugelassenen Behältern zu sammeln. Die Behälter müssen nach dem ordnungsgemäßen Verschließen bis zur Abholung gekühlt gelagert werden. Abfallerzeuger übergeben die Behälter vorzugsweise an zertifizierte Entsorger. Die zu entsorgenden Behälter werden im Anschluss nach einem zugelassenen Behandlungsverfahren entsprechend behandelt oder/und beseitigt.
Entsorgung von Arzneimitteln
Da in der Orthopädie in der Regel keine CMR-Medikamente verabreicht werden, sind fast ausschließlich überlagerte Arzneimittel oder nicht verwendete Präparate nach Entsorgungsschlüssel 180109 zu entsorgen. Diese Abfälle werden verbrannt, sodass Wirkstoffe zuverlässig inaktiviert bzw. zerstört werden und nicht in die Umwelt gelangen können. Kleinere haushaltsübliche Mengen sind als normale Krankenhausabfälle zu entsorgen.
Desinfektionsmittel als chemische Abfälle entsorgen
In orthopädischen Praxen und Kliniken kommen auch Chemikalien beispielsweise zur Desinfektion zum Einsatz. Unter anderem werden diese Lösungen als gebrauchsfertige Sprays, Tücher oder Flüssigkeiten verwendet. Im Regelfall sind sie so stark verdünnt, dass von ihnen keine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeht. Gleiches gilt auch für die Mittel, die für die Instrumenten- und Flächendesinfektion genutzt werden. Je nach Inhaltsstoff werden die Desinfektionsmittelreste als Chemikalienabfälle nach Abfallschlüssel 180107 entsorgt. Bei größeren Mengen an ungefährlichen Desinfektionsmitteln können auch speziellere Abfallschlüssel – wie AS 150202* für Wischtücher oder AS 070604* für andere organische Lösemittel – genutzt werden. Hier sind die jeweiligenHerstellerinformationen zu berücksichtigen.
Entsorgung von Röntgenaufnahmen in der Orthopädie
Zur Diagnostik von Knochenbrüchen, bei Fehlstellungen des Skeletts oder auch dem Verdacht auf Osteoporose werden Patientinnen und Patienten geröntgt. Alle angefertigten Röntgenaufnahmen unterliegen § 85 (2) Nr. 2 der Strahlenschutzgesetz (StrlSchG). Darin sind gesetzliche Aufbewahrungsfristen von 10 Jahren für Röntgenbilder sowie von 30 Jahren für Bilddaten aus Behandlungen festgelegt. Die Aufnahmen von Minderjährigen müssen bis zum 28. Lebensjahr archiviert werden. Sind Fristen abgelaufen, sind die Aufnahmen fachgerecht und sicher zu vernichten.
Neben der datenschutzkonformen Vernichtung gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht bei der Entsorgung analoger Röntgenfilme die Verwertung nach § 7 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) im Fokus. Orthopädische Praxen und Kliniken sind als Abfallerzeuger verpflichtet, die entsorgten Röntgenaufnahmen der Verwertung durch einen Entsorgungsfachbetrieb zuzuführen, um die enthaltenen wertvollen Rohstoffe Silber und Kunststoff zurück in den Rohstoffkreislauf zu geben.
Orthopädische Hilfsmittel entsorgen
Um Patientinnen und Patienten beispielsweise mit muskuloskelettalen Problemen zu unterstützen, zu stabilisieren oder zu korrigieren, verschreiben Ärztinnen und Ärzte orthopädische Hilfsmittel wie Bandagen, Schienen oder Orthesen. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Hilfsmittel unterscheiden sich auch deren Entsorgungswege. Es gibt beispielsweise spezielle Rücknahmesysteme von Herstellern oder Krankenkassen und auch Apotheken sowie Sanitätshäuser bieten Entsorgungsdienste an. Allerdings sollten Patientinnen und Patienten hier vorsichtig sein, denn orthopädische Hilfsmittel sind teilweise nur eine Leihgabe, gehören den Krankenkassen und müssen entsprechend zurückgegeben werden. Viele Komponenten der orthopädischen Hilfsmittel sind recycelbar, denn in den meisten Fällen sind wertvolle Materialien wie Metalle, Kunststoffe, elektrische Komponenten oder auch Lithium-Ionen-Akkus verbaut. Je nach Materialzusammensetzung müssen deshalb besondere Entsorgungsrichtlinien und teilweise strenge Schutzauflagen beachtet werden. Für Lithium-Ionen-Akkus gelten beispielsweise gesetzliche Rückgabe- und Rücknahmepflichten, sodass die als Sonderabfall zu entsorgenden Akkus recycelt werden müssen.
Hüft- und Kniegelenkimplantate entsorgen?
Sind die Funktionalität und Beweglichkeit von Hüft- und Kniegelenken dauerhaft beeinträchtigt, ist in vielen Fällen ein vollständiger oder teilweiser Ersatz mit einem Gelenkimplantat unumgänglich. Aus dem aktuellen Jahresbericht des Endoprothesenregister Deutschland geht hervor, dass 2022 in 751 deutschen Kliniken fast 350.000 endoprothetische Eingriffe an Hüfte und Knie durchgeführt wurden – darunter über 156.000 Hüft-Totalprothesen und knapp über 137.000 Erstimplantationen von künstlichen Kniegelenken. Ein großer Teil der Implantationen ist auf Arthrose zurückzuführen. Sowohl bei Hüft- als auch Kniegelenkimplantationen werden sogenannte nicht aktive Gelenkimplantate verwendet. Ausgediente Implantate (z. B. aufgrund von Fehlfunktionen) werden bei lebenden Patientinnen und Patienten aus dem Körper entnommen – und somit zum Explantat. Bei Verstorbenen verbleiben die Implantate hingegen im Körper. Implantate bzw. Explantate sind Eigentum der Patientinnen und Patienten. Werden diese entnommen, muss der jeweilige Patient entscheiden, ob er das Explantat mit nach Hause nehmen möchte oder dieses rechtlich den behandelnden Ärztinnen und Ärzten überlässt.
Werden Explantate der Klinik überlassen, können sie nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Aufbewahrungsfristenfachgerecht entsorgt werden. In vielen Fällen sind sie jedoch nach der Explantation mit Gewebe und Knochenmaterial verbunden, sodass sie – als Körperteile gewertet – nach Abfallschlüssel 180102, entsorgt werden. Ist die Patientin bzw. der Patient an einer meldepflichtigen infektiösen Krankheit erkrankt, sind Explantate mitunter als gefährliche Abfälle (180103*) einzustufen und entsprechend zu entsorgen. Bei beiden Kategorisierungen sind besondere Lagerungs- und Entsorgungsmaßnahmen zu beachten. Handelt es sich hingegen weder um ethischen noch gefährlichen Abfall, werden Explantate oft auch als AS 180104 entsorgt. In allen drei Fällen werden die Explantate in einer zertifizierten Verbrennungsanlage in einem thermischen Verfahren entsorgt. Hüft- oder Gelenkimplantate, die bis zum Tod im Körper verbleiben, werden im Regelfall mit der bzw. dem Verstorbenen kremiert oder (erd-)bestattet. Im Falle einer Kremation würde eventuelles infektiöses Material vernichtet werden.
Verwertung von Explantaten
Explantate enthalten wertvolle Materialien, die oft entsorgt und nicht recycelt werden. Um die Materialien recyceln zu können, wäre deren Dekontamination notwendig, was in vielen Kliniken aufgrund der bestehenden Regulatorik momentan nicht umsetzbar ist. Aktuell gibt es ein Projekt der Helios Kliniken und der Hamburger Firma ReBoat Recycling GmbH. Unter der Marke ReProtec werden hochwertige Metalle aus Explantaten und anderen OP-Materialien zurückgewonnen und als hochwertigerRohstoff in den Kreislauf zurückgegeben. Auch andere Entsorgungs- und Recyclingunternehmen arbeiten derzeit an Lösungen, werden aber von Regularien, Sicherheitsbestimmungen sowie fehlenden finanziellen und personellen Ressourcen in den Kliniken behindert.
Quellen
- Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall: Mitteilung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 18
- Bundesministerium der Justiz und Bundesamt für Justiz: Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen
- Bundesministerium der Justiz und Bundesamt für Justiz: Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen
- Bundesministerium der Justiz und Bundesamt für Justiz: Gesetz zum Schutz vor schädlicher Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzverordnung – StrlSchG)
- Universitätsklinikum Leipzig: Endoprothetik / Orthopädie
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Arzneimittelentsorgung
- Röntgenfilme sicher entsorgen: Verwertung von Röntgenfilmen aus orthopädischen Praxen
- Springer Medizin: Wem gehört mein Implantat?
- Sanitätshaus Aktuell Magazine: Wem gehört „mein“ Hilfsmittel?
- TÜVRheinland: Praxis Medizinprodukterecht – 01106 Glossar
- Endoprothesenregister Deutschland: Jahresbericht 2023 – Mehr Sicherheit mehr Qualität
- UniversitätsCentrum für Orthopädie, Unfall- & Plastische Chirurgie – Universitätsklinikum Dresden
- Helios Gesundheit: Pressemitteilung: Explantate – Zum Wegwerfen zu schade