Europäischer Grüner Deal Krankenhäuser auf dem Weg zur Klimaneutralität

Der europäische Grüne Deal sieht drastische Senkungen der Treibhausgasemissionen vor (Foto: AdobeStock, Miha Creative)
Der europäische Grüne Deal sieht drastische Senkungen der Treibhausgasemissionen vor (Foto: AdobeStock, Miha Creative)

Um Klimawandel und Umweltzerstörung Einhalt zu gebieten, hat die EU sich 2020 auf den sogenannten europäischen Grünen Deal (European Green Deal) verständigt. Das Konzept zielt darauf ab, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Bis 2030 sollen zudem die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 bereits um mindestens 55 Prozent gesenkt werden. Diese Ziele wurden inzwischen im 2021 verabschiedeten Europäischen Klimagesetz als verbindlich festgeschrieben. Um sie zu erreichen, bedarf es Maßnahmen in sämtlichen Wirtschaftsbereichen, die wiederum durch weitere neue Gesetze und Gesetzesänderungen erwirkt werden sollen. Insbesondere von einer dieser Neuerungen dürften auch zahlreiche Krankenhäuser betroffen sein. Derweilen zeigen Best-Practice-Beispiele bereits, dass entsprechende Modernisierungsmaßnahmen nicht nur eine Bürde, sondern auch eine Chance für einen effizienteren und ökonomischeren Krankenhausbetrieb darstellen.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Der europäische Grüne Deal sieht drastische Senkungen der Treibhausgasemissionen vor.
  • Die Umsetzung erfolgt durch zahlreiche neue Gesetze und Gesetzesänderungen.
  • Krankenhäuser sind insbesondere von der neuen „Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (EPBD) betroffen.
  • Best-Practice-Beispiele zeigen, welche Chancen sich durch Maßnahmen zur Klimaneutralität ergeben.
  • Verschiedene Programme und Initiativen bieten Hilfestellungen auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Der europäische Grüne Deal sieht Verbesserungen und Veränderungen in acht Bereichen vor:

  • saubere Luft, sauberes Wasser, einen gesunden Boden und Biodiversität,
  • sanierte, energieeffiziente Gebäude,
  • gesundes und bezahlbares Essen,
  • mehr öffentliche Verkehrsmittel,
  • sauberere Energie und modernste saubere Technologien,
  • langlebigere Produkte, die repariert, wiederverwertet und wiederverwendet werden können,
  • zukunftsfähige Arbeitsplätze und Vermittlung der für den Übergang notwendigen Kompetenzen,
  • weltweit wettbewerbsfähige und krisenfeste Industrie.

Konkrete Maßnahmen sind bislang noch nicht gesetzlich geregelt. Allerdings wurden von der EU-Kommission mit dem Klimaschutzpaket „Fit for 55“ bereits Vorschläge für Gesetzesnovellen und einige neue Gesetze in mindestens zwölf Gesetzgebungsinitiativen vorgelegt. Diese bündeln und kombinieren

  • Maßnahmen aus dem Emissionshandel für neue Sektoren und strengere Auflagen im Rahmen des bestehenden Emissionshandelssystems (EHS) der EU
  • die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien
  • mehr Energieeffizienz
  • die schnellere Einführung emissionsarmer Verkehrsträger sowie entsprechender Infrastruktur und Kraftstoffe
  • globale Maßnahmen zur Prävention der Verlagerung von CO2-Emissionen
  • die Angleichung der Steuerpolitik an die Ziele des Green Deal sowie
  • Instrumente zur Erhaltung und Vergrößerung unserer natürlichen CO2-Senken.

Überarbeitung der „Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (EPBD)

Ein Teil des „Fit for 55“- Pakets, der viele Krankenhäuser in besonderem Maße betreffen dürfte, ist ein Vorschlag zur Änderung der „Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (EPBD). Diese Überarbeitung ist ein wesentliches Element der europäischen „Strategie für eine Renovierungswelle“ (MEMO) und sieht vor, „die Vorschriften zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden mit dem europäischen Grünen Deal in Einklang zu bringen und den Gebäudebestand in der EU bis 2050 zu dekarbonisieren“. Damit soll unter anderem die Renovierung von „Wohnungen, Schulen, Krankenhäusern, Büros und anderen Gebäuden in ganz Europa“ erleichtert werden.

Laut EU-Kommission sind Gebäude als größter Energieverbraucher sowohl für 40 Prozent des Energieverbrauchs als auch für 36 Prozent der Treibhausgase in der europäischen Union verantwortlich. Gerade mit Maßnahmen in diesem Bereich lässt sich daher eine besonders große Wirkung erzielen. Der überarbeiteten EPBD-Richtlinie nach müssen deshalb ab 2030 alle neuen Gebäude emissionsfrei sein – also möglichst wenig Energie verbrauchen und hierfür weitestgehend erneuerbare Energien nutzen. Für alle öffentlichen Neubauten soll dies bereits ab 2027 gelten. Gleichsam sollen energetische Mindestanforderungen an Altbauten eingeführt werden: Für die 15 Prozent der Bestandsgebäude mit den schlechtesten Energiewerten (Energieeffizienzklasse G) gilt, dass Wohngebäude bis 2030 und Nichtwohngebäude bis 2027 im Energieausweis mindestens Niveau F bzw. drei Jahre später Klasse E erreichen müssen. Derzeit verbrauchen noch über 30 Millionen Gebäude in der EU 2,5-mal so viel Energie wie durchschnittliche Gebäude.

Hohe Einsparpotentiale bei Krankenhäusern

Dass Krankenhäuser von diesen Gesetzesänderungen betroffen sein werden, zeigen einfache Zahlen: Laut Krankenhaus Report 2018 machten die Kosten für Wasser, Energie und Brennstoffe 2,2 Prozent der Bruttogesamtkosten in deutschen Kliniken aus, insgesamt 2,1 Milliarden Euro. Ein Krankenhaus mit einem Jahresbudget von 500 Millionen Euro kommt demnach auf elf Millionen Euro Nebenkosten. Ein Klinikbett hat umgerechnet einen durchschnittlichen Jahresenergiebedarf wie vier neuere Einfamilienhäuser. Experten gehen davon aus, dass je nach energetischem Zustand des Krankenhauses bis zu 30 Prozent an Energie durch Optimierung eingespart werden kann. Entsprechende Maßnahmen bedeuten für die vielfach chronisch klammen Kliniken zunächst zusätzliche Investitionen. Doch sind Energieeinsparungen letzen Endes auch Kosteneinsparungen – insbesondere vor dem Hintergrund steigender Energiepreise.

Best-Practice-Beispiel: Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe

Ein Best-Practice-Beispiel in Sachen energetische Sanierung ist das Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin. Nach einer Übernahme durch engagierte Mitarbeiter im Jahr 1995 wurden die Fehler in der Energiewirtschaft des von der Schließung bedrohten Krankenhauses nach einer Bestandsaufnahme sukzessive abgebaut. 2000 erfolgte eine Umstellung von Heizöl auf Erdgas, seit 2002 eine schrittweise energetische Sanierung. Obwohl sich die Zahl der Mitarbeiter seither verdoppelt und die der Patienten verdreifacht hat, wurden die CO2-Emissionen bis 2018 um 70 Prozent reduziert. Seit 1990 konnten zudem die Energiekosten im Schnitt pro Jahr um rund 300.000 Euro gesenkt werden. 2020 gab die Klinik als erstes Krankenhaus in Deutschland das Ziel aus, „bis 2030 komplett klimaneutral arbeiten zu wollen“, und weitete seine Anstrengungen zur CO2-Reduktion auf Tätigkeitsfelder wie Mobilität, Nahrungsmittel und Einkauf oder Medikamente und Klimasprechstunden aus.

Hilfestellungen durch KLUG, KLIK und Co.

Die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) hat unter anderem auf Basis der Erfahrungen des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe 2021 ein Rahmenwerk „Klimagerechte Gesundheitseinrichtungen“ herausgegeben. Die Autoren halten im Energiebereich Einsparpotentiale zwischen zehn und 50 Prozent schon heute für realisierbar, sofern „Gesundheitseinrichtungen eine eigene Energiezentrale betreiben und bisher wenige Sparmaßnahmen ergreifen konnten“. Weitere Anreize und Hilfestellungen auf dem Weg zur Klimaneutralität bieten Zertifizierungen wie etwa das Gütesiegel „Energie sparendes Krankenhaus“ des Berliner BUND e. V., die Auszeichnung Green HospitalPLUS der gleichnamigen Initiative in Bayern oder nach ISO 50001. Das Projekt KLIK green (Klimamanager für Kliniken) bietet ferner Fortbildungen zum Klimamanager für Krankenhausmitarbeiter, um das erforderliche Know-how für Klimaneutralität in die Einrichtungen zu bringen.

Finanzierungsfrage bleibt offen

Auch wenn nach einer energetischen Optimierung sehr viel Geld gespart wird, bleiben insbesondere die Vorabkosten für Gebäudesanierungen enorme finanzielle Hürden für Krankenhäuser. KLUG, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und andere fordern daher die Bereitstellung entsprechender Fördermittel. Ebenso fordert die EU-Kommission die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, „Renovierungserwägungen in die Vorschriften für öffentliche und private Finanzierungen aufzunehmen“.

Quellen

Der europäische Grüne Deal sieht drastische Senkungen der Treibhausgasemissionen vor (Foto: AdobeStock, Miha Creative)
Der europäische Grüne Deal sieht drastische Senkungen der Treibhausgasemissionen vor (Foto: AdobeStock, Miha Creative)