Fast 10.000 Tonnen potentiell infektiöse/hochinfektiöse Abfälle verlassen jährlich Deutschlands Krankenhäuser auf den Weg in die Entsorgung. Normalerweise werden diese zum größten Teil in Sonderabfallverbrennungsanlagen vernichtet und gehen damit im Sinne der Kreislaufwirtschaft als Ressource verloren. Gerade in Zeiten von weltweiten Nachhaltigkeitsbestrebungen und Mangel an Rohstoffen stehen Umweltbeauftragte und -technologen vor der Herausforderung, auch Krankenhausabfälle zu recyceln oder als klimaschonenden Energielieferanten zu nutzen. Ein Experte, der sich unseren Fragen zum Thema stellt und bereits zahlreiche Projekte ins Leben gerufen hat, ist Dr. Jörg Krause. Wir haben mit ihm über das neu entwickelte Recyclingverfahren zur Aufbereitung gefährlicher Krankenhausabfälle gesprochen.
Zur Person: Dr. Jörg Krause
- Studium der Chemie an der Universität Münster mit Promotion in der analytischen Chemie
- Forschungsgruppen- und Projektleiter im Bereich der Biosensorik an der Universität Münster
- Entwicklungsleiter bei einem Schweizer Unternehmen für Prozesstechnik in der Wasserwirtschaft
- seit 2000 bei REMONDIS, seit 2001 bei der REMONDIS Medison als technischer Leiter und Niederlassungsleiter eines Standorts zur Lösemittelaufbereitung
Herr Krause, ein großer Anteil des Abfalls aus Kliniken ist in der Kategorie „gefährliche Abfälle“ zu verankern und gehört damit durch seine potentielle Belastung durch Viren, Bakterien und Pilzen nicht ins Recycling. Doch inzwischen gibt es auch für diese Stoffe eine Verwertungsmöglichkeit. Erläutern Sie bitte kurz das neue Verfahren.
Jörg Krause: Für potentiell infektiöse Abfälle, also „Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden“, ist die Beseitigung in einer Sonderabfallverbrennungsanlage der Standardweg. Eine Verwertung ist zunächst tatsächlich nicht vorgesehen, da die speziellen Vorschriften für die Verpackung, Lagerung und Transport dies auch gar nicht zulassen. Denn die speziellen Sammel- und Transportbehälter können und dürfen, einmal verschlossen, nicht wieder geöffnet werden. Genau hier setzt unser Rekomed-Verfahren an. Dabei werden die Abfallbehälter zunächst schonend in die Anlage gegeben. Der gesamte weitere Prozess läuft dann in einem vollkommen geschlossenen, hermetisch dichten System ab: Behälter und Inhalt werden durch einen integrierten Shredder bis auf die Größe einer Euro-Münze zerkleinert, die Ware wird anschließend in einer speziellen, hocheffizienten Autoklaviervorrichtung desinfiziert und ungefährlich gemacht. Abschließend wird sie zu einem rieselfähigen, hochkalorischen Endprodukt getrocknet, das nach Ende des Prozesses aus der Anlage ausgetragen wird. Das Ganze läuft vollautomatisch und unter einem hohen Sicherheitslevel ab. Der so produzierte Ersatzbrennstoff wird nahezu ohne Transportaufwand im standorteigenen Kraftwerk eingesetzt und erzeugt mit hohem Wirkungsgrad Prozessdampf und Strom. Einen Teil dieses Dampfes und des Stroms nehmen wir zum Betrieb der Desinfektionsanlage zurück, der weitaus größere Teil dient zur Energieversorgung am Standort. Mit diesem Gesamtkonzept aus Effizienz und Prozesssicherheit ist unser Verfahren als echtes Verwertungsverfahren anerkannt.
Gibt es auch Grenzen für die Nutzung des Verfahrens, wie z. B. Abfälle, die mit hochinfektiösen Viren wie bspw. Ebola kontaminiert sind?
Jörg Krause: Ja, es gibt Grenzen. Aber die liegen interessanterweise nicht bei den genannten Viren. Alles was im mikrobiologischen Wirkungsspektrum dem Wirkungsbereich D zugeordnet ist, darf nicht in unserer Anlage behandelt werden. Das sind Sporen der Erreger von Gasödem und Wundstarrkrampf sowie Prionen als Erreger von Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK ) und Transmissible spongiforme Enzephalopathie (TSE). Hierzu gibt es ganz spezielle Vorschriften und Normen.
Desinfektionsverfahren medizinischer Abfälle mit Dampf und Druck
Durch ein spezielles Desinfektionsverfahren wird aus einem gefährlichen Abfall ungefährliches Material. Können Sie uns kurz den Prozess der Desinfektion erläutern? Was versteht man genau unter einem Vakuum-Dampf-Vakuum-Verfahren?
Jörg Krause: Das Robert Koch-Institut schreibt zur Desinfektion bestimmter Dinge bestimmte Verfahren vor. Die Desinfektion von Abfällen hat demnach ausschließlich mit einem Dampfdesinfektionsverfahren stattzufinden. Wir haben das Vakuum-Dampf-Vakuum-Verfahren gewählt, das auch als fraktioniertes Vakuumverfahren bekannt ist. Um vollständig zu desinfizieren, muss der Dampf jede kleinste Stelle im gesamten zu desinfizierenden Gut erreichen. In unseren Abfällen haben wir aber in der Regel sehr ungünstige geometrische Verhältnisse. Wir haben Hohlräume, Teile mit kleinem oder sehr kleinem Lumen wie Schläuche oder Kanülen. Damit der Dampf das Innere dieser Hohlräume auch erreichen kann, muss die Luft möglichst vollständig entfernt werden. Dazu wird das Autoklavenrohr zunächst bis zu einem bestimmten Unterdruck evakuiert. Dann wird das abgesaugte Luftvolumen durch einen Stoß Dampf ersetzt und anschließend wieder evakuiert. Dieser Vorgang wird messtechnisch verfolgt und mehrfach wiederholt bis der Restgehalt an Luft auf den Bruchteil eines Promilles reduziert ist. Erst jetzt startet der eigentliche Desinfektionsprozess, der mit Sattdampf von 138 Grad für eine definierte Zeit durchgeführt wird. Durch die vorgeschaltete Zerkleinerung und die vollständige Entfernung der Luft haben wir hier einen sehr effizienten Energieeintrag mit schneller Aufheizrate und kurzen Prozesszeiten, was sich in einem moderaten Energiebedarf äußert. Wichtig ist noch, dass die durch das Entlüften zwangsläufig anfallende Abluft sterilfiltriert wird und das ebenfalls zwangsläufig anfallende Kondensat im geschlossenen System gesammelt und ebenfalls mit Dampf desinfiziert wird.
Wie ist die Idee zu diesem Verfahren und der Anlage entstanden. Woraus ergab sich der Handlungsbedarf?
Jörg Krause: Ursprünglich wollten wir nur ein Backup zur Sonderabfallverbrennung haben, um bei Engpässen in der Verbrennungskapazität unsere Kunden weiterhin bedienen zu können. Dann haben wir uns überlegt, was die für uns optimale Anlage leisten muss, vor allem in Bezug auf Durchsatz, Prozessablauf, Energieeinsatz, Automation etc. Parallel hat unser Kraftwerk Proben des Sterilguts bemustert und für sehr interessant befunden. Auf dem Apparatemarkt gab es aber nichts Fixfertiges, was unsere Anforderung komplett erfüllte. Zwar konnten wir einen Lieferanten für das Autoklavensystem und den hermetisch dichten Shredder finden, mussten aber die gesamte Peripherie wie Vakuumsystem, Kondensationsstrecke, Kühlwasserversorgung und -rückkühlung, Abluftreinigung, Abfördersystem, Metalldetektion etc. „dazustricken“. Die Anlage sollte auf jeden Fall auch bei behördlich angeordneten Desinfektionsmaßnahmen eingesetzt werden können und musste damit auch alle Anforderungen des RKI erfüllen. Mittlerweile haben wir, auch unter Ausnutzung der Betriebserfahrung aus dieser ersten Anlage, eine zweite Anlage erstellt.
Zur Zeit gibt es in Deutschland nur eine vom Robert Koch-Institut anerkannte Anlage dieser Art. Könnten deutschlandweit alle Krankenhäuser ihre gefährlichen Abfälle dort verwerten oder ist die Nutzung standortabhängig?
Jörg Krause: Das ist so nicht ganz richtig. Es gibt durchaus auch andere Abfalldesinfektionssysteme, die vom RKI anerkannt sind. Das sind vor allem kleinere Anlagen oder Systeme, die im Wesentlichen für den Einsatz direkt im Krankenhaus konzipiert wurden und gelegentlich auch dort noch zum Einsatz kommen, jedoch immer nur als Vorbereitung zur Beseitigung. Die Gesamtkonstellation unseres Verfahrens ist in der Tat in Deutschland einmalig, und zwar mit zwei Anlagen. Wir als Spezialist in der Krankenhausabfallentsorgung möchten unseren Kunden ja auch genau diese Arbeit abnehmen, von der Bereitstellung der Behälter bis hin zur Verwertung ihres Abfalls und darüber hinaus.
Medizinische Abfälle als Ersatzbrennstoff nutzen
Die Krankenhäuser haben durch dieses Verfahren nicht nur die Möglichkeit, ihre gefährlichen Abfälle zu entsorgen, sondern es ergeben sich weitere Vorteile. Erläutern Sie uns diese bitte.
Jörg Krause: Da die Abfälle schlussendlich als Ersatzbrennstoff zu Energie werden, könnte hier eine CO2-Gutschrift durch eingesparte fossile Energieträger bilanziert werden. Wir sind dabei, in Zusammenarbeit mit einem Fraunhofer-Institut entsprechende Bewertungen durchzuführen. Mit entsprechenden Zertifikaten werden wir unseren Kunden dann einen Baustein zu deren Nachhaltigkeitskonzepten an die Hand geben können. In einem nächsten Schritt, wir nennen ihn schon „Rekomed 2“, möchten wir gezielt bestimmte Kunststofffraktionen aus dem Sterilgut heraussortieren, zu Regranulat verarbeiten und somit auch den nächsten Nachhaltigkeitsschritt machen: die stoffliche Verwertung mit der Möglichkeit, aus dem Regranulat wieder Abfallbehälter herzustellen. Konzepte sind erstellt, Studien laufen bereits bei unseren „Kunststoff-Kollegen“. Das ist auf jeden Fall spannend.
Für welche Mengen Sonderabfall ist die Anlage ausgerichtet? Wird es zukünftig noch mehr Anlagen dieser Art geben?
Jörg Krause: Im Augenblick haben wir eine Kapazität von etwa 6.000 Tonnen pro Jahr. Die genehmigte Menge ist noch um einiges höher. Aktuell gibt es keinen Bedarf an einer weiteren Anlage. Sollte sich das Abfallaufkommen durch veränderte Randbedingungen jedoch erhöhen, werden wir uns selbstverständlich der Marktsituation anpassen und gegebenenfalls nachrüsten.
Wie könnte die Verwertung von Krankenhausabfällen in Zukunft noch besser gelingen? Was wünschen Sie sich von Politik, Wirtschaft oder den Kliniken?
Jörg Krause: Mein größter Wunsch in Richtung Kunde: Halten Sie bitte die Abfallbehälter frei von Störstoffen wie Knie- oder anderen Gelenken, sowie von anderen Schrottteilen. Für derartige Abfallströme stellen wir Ihnen gerne unsere Metallbox zur Verfügung. Unsere Shredder werden es Ihnen danken.
Vielen Dank für das Gespräch.