Die heute eingesetzten Analyseverfahren, um Wasserqualitäten verbindlich zu prüfen, zeigen, dass Arzneimittelstoffe und deren Abbauprodukte kontinuierlich über das Abwasser in die Umwelt gelangen. Rückstände finden sich flächendeckend und ganzjährig in Flüssen, Bächen wie auch in Boden- und Grundwasserproben. Mehr als 150 verschiedene Arzneimittel sind mittlerweile in deutschen Gewässern nachgewiesen. Nach Angaben des Umweltbundesamtes sind Konzentrationen von 0,1 bis 1 Mikrogramm pro Liter für viele Wirkstoffe keine Seltenheit. In manchen Fällen liegen die Werte jedoch bei mehreren Mikrogramm pro Liter und damit noch deutlich darüber.
Rund 9.000 Präparate mit mehr als 3.000 unterschiedlichen Wirkstoffen, dazu unterschiedlichste Wirkstärken, Verpackungseinheiten und Applikationsformen: Allein in Deutschland gibt es insgesamt rund 100.000 zugelassene Arzneimittel. Von den eingesetzten Substanzen sind nach den Zahlen des Umweltbundesamtes 1.200 Wirkstoffe umweltrelevant. 2012 wurden hiervon in Deutschland im Bereich der Humanmedizin 8.100 Tonnen verbraucht. Entzündungshemmer, Asthmamittel und Psychotherapeutika sind dabei die häufigsten Arzneimittel. Im veterinärmedizinischen Bereich sind es vor allem Antibiotika und Antiparasitika, die mit einem jährlichen Verbrauch von rund 1.700 Tonnen umweltrelevant zu Buche schlagen.
Der Grund für die Vielzahl an Medikamenten im Wasser ist schnell gefunden. Viele Wirkstoffe werden vom menschlichen Körper unverändert ausgeschieden, lassen sich schlecht abbauen und werden auch von Kläranlagen nur bedingt zurückgehalten. Zudem gehen die Bundesbürger mit nicht mehr benötigten oder überlagerten Arzneimitteln überaus sorglos um. Jeder siebte Deutsche entsorgt seine Tabletten zumindest gelegentlich über die Toilette. Das hat eine repräsentative Umfrage durch das START-Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ergeben. Darüber hinaus entsorgt sogar jeder zweite Befragte flüssige Arzneimittel gelegentlich im Ausguss oder der Toilette – jeder zehnte tut dies wohlgemerkt immer. Dies ergibt jährlich eine Menge von mehreren hundert Tonnen Arzneimitteln, die unsachgemäß im Abwasser entsorgt werden.
Wege von Arzneimitteln in den Wasserkreislauf
Neben dem kommunalen Abwasser sind insbesondere veterinärmedizinische Medikamente, Nutztierhaltung (Freiland, Aquakulturen), aber auch Klärschlämme oder Gärprodukte aus Biogasanlagen, die als Wirtschaftsdünger genutzt werden, häufige Ursachen für die Belastung von Oberflächengewässern oder dem Grundwasser. Krankenhäuser haben einen Anteil von 10 bis 20 Prozent an der jährlich in die Umwelt entlassenen Gesamtmenge an Arzneimittelwirkstoffen (vgl. BMBF-Forschungsprojekt START: Strategien zum Umgang mit Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser, Frankfurt am Main 2008, S. 6).
- Durch Ausscheidungen, unsachgemäße Entsorgung von Arzneimitteln
- Während der Herstellung von Arzneimitteln (Apotheken, Arzneimittelhersteller)
- Über ausgebrachte Gülle, Gärreste aus Biogasanlagen oder Klärschlamm
- Aufgrund von alter Infrastruktur (undichte Abwasserkanäle)
Wasseraufbereitung und Kläranlagen
Kläranlagen können in vielen Fällen die in Abwässern enthaltenen Arzneimittelwirkstoffe nicht oder nur unzureichend filtern bzw. eliminieren. Dieser Aspekt rückte erst in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus. Bisher waren die konventionellen mehrstufigen Reinigungstechniken darauf ausgerichtet, biologisch gut abbaubare Substanzen zu eliminieren und den Nährstoffkreislauf zu regulieren (u.a. Rückhalt von Stickstoff, Phosphor). Arzneimittelrückstände standen lange Zeit nicht im Fokus der kommunalen Kläranlagen.
In biologischen Reinigungsstufen oder durch Anreicherung in Klärschlämmen lassen sich Arzneimittelrückstände zumindest teilweise zurückhalten. Eine vollständige Mineralisierung durch mikrobiellen Abbau gelingt indes nicht in jedem Fall. Häufiger bilden sich stabile – auch unbekannte – Umwandlungsprodukte, sogenannte Metabolite. Die fehlende biologische Abbaubarkeit, die hohe Wasserlöslichkeit und Mobilität im Untergrund erschweren eine vollständige Entfernung der häufigsten im Wasserkreislauf befindlichen Wirkstoffe selbst in mehrstufigen Abwasserbehandlungsanlagen.
Häufigste Arzneimittelwirkstoffe im Wasserkreislauf
- Diclofenac, Ibuprofen
- Bezafibrat
- Metoprolol, Sotalol
- Metformin
- Carbamazepin, Primidon
- Sulfamethoxazol
- Diazepam
- Amidotrizoesäure, Iopamidol
Erlaubte Konzentrationen von Medikamenten im Wasserkreislauf
Die Konzentrationen in Kläranlagen liegen in den Größenordnungen von 1 bis 10 Mikrogramm pro Liter (μg/l). Einzelne Wirkstoffe, wie das Antidiabetikum Metformin, treten mit bis zu 100 μg/l auf (vgl. DVGW-Information, WASSER Nr. 54, April 2015). In Fließgewässern sind die Konzentrationen mit bis zu 100 Nanogramm pro Liter (ng/l) eindeutig geringer. Nur in kleinen Flüssen mit einem erhöhten Anteil an Abwässern können einzelne Wirkstoffe mit bis zu 1 μg/l vorliegen. Das Grundwasser enthält durch darüber liegende, schützende Schichten nur in Ausnahmefällen – etwa durch undichte Abwasserkanäle oder belastete Oberflächengewässer – Arzneimittelwirkstoffe bzw. -Rückstände. Die Konzentrationen liegen in diesen Fällen ähnlich wie in Flüssen und Seen zwischen wenigen und 100 Nanogramm pro Liter.
Größenordnung: 1 μg/l entspricht dabei der Konzentration eines einzelnen Zuckerwürfels im Inhalt eines großen Tankschiffs mit einem Volumen von 2,7 Millionen Litern. (Quelle: DVGW e.V.)
Medikamantenkonzentration im Trinkwasser
Im Trinkwasser finden sich nur sehr geringe Konzentrationen von Arzneimittelrückständen, die für unsere Gesundheit nach jetzigem Stand unbedenklich sind. Trinkwasser ist stark kontrolliert und wird in mehrstufigen Aufbereitungsverfahren gereinigt. Untergrundpassagen kombiniert mit oxidativen oder adsorptiven Reinigungsstufen entfernen Arzneirückstände sehr wirksam. Dennoch: Aus Gesundheits- und Umweltsicht gilt es, kein Risiko einzugehen.
Eine Literaturstudie, die im Auftrag des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen 2007 erstellt wurde, belegt das Vorkommen von 15 verschiedenen Arzneimittelwirkstoffen in deutschen Trinkwasserproben (vgl. BMBF-Forschungsprojekt START: Strategien zum Umgang mit Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser, S. 10). Den Nachweis von 23 verschiedenen Wirkstoffen liefert ein Projekt, an dem das Land Nordrhein-Westfalen beteiligt ist: „Den Spurenstoffen auf der Spur“ (DSADS). Acht der dort nachgewiesenen Wirkstoffe traten in Konzentrationen oberhalb von 0,1 µg/l auf. Dazu gehören u.a. die Analgetika Phenazon, Propyphenazon und Naproxen, die Röntgenkontrastmittel Amidotrizoesäure und Iopamidol sowie die Lipidsenker Clofibrinsäure und Fenofibrat.
Diese Ergebnisse zeigen, dass der Eintrag von Arzneimitteln in die Umwelt vorsorglich so gering wie möglich gehalten und bestenfalls ausgeschlossen werden sollte. Auch kleinste Veränderungen in den Ökosystemen haben Auswirkungen auf uns. Hormonell wirksame Stoffe können in geringsten Konzentrationen Veränderungen in aquatischen Ökosystemen auslösen.
Größenordnung: Um die minimale Tagesdosis des Antiepileptikums Carbamazepin von 0,4 g aufzunehmen, müsste man täglich über 5.000 Jahre hinweg zwei Liter Wasser mit einer Konzentration von 0,1 μg/l trinken. (Quelle: DVGW e.V.)
Arzneimittelreste sicher entsorgen
Arzneimittelrückstände in der Umwelt werden aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren jedoch noch zunehmen. Im letzten Lebensdrittel steigt der Verbrauch von Medikamenten. Die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft, mit höheren Lebenserwartungen und durchschnittlich immer mehr älteren Menschen, wird ihren Teil beitragen.
Eine einheitliche Regelung für die Entsorgung von Medikamenten und Arzneimitteln existiert derzeit in Deutschland nicht. Aus diesem Grund ist es wichtig, Gewässer und Trinkwasserressourcen nachhaltig zu schützen und das Bewusstsein für den Schutz unserer Umwelt – und unserer Gesundheit – zu stärken. Im Vordergrund müssen deshalb zunächst Maßnahmen stehen, die einen Eintrag in den Wasserkreislauf verringern. Krankenhausabwässer könnten separat vorbehandelt werden. Auch sind Aspekte, die eine Schonung des Wasserkreislaufes fördern, bei der Zulassung von Arzneimitteln bedenkenswert.
In jedem Fall muss das Problembewusstsein in der Bevölkerung und insbesondere bei Apothekern und Ärzten gestärkt werden, da Auswirkungen überwiegend nicht bekannt sind oder im beruflichen Alltag keine Rolle spielen. Erschwerend kommt hinzu, dass es bisher nur begrenzt belastbare, aussagekräftige Ergebnisse zu möglichen Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt gibt, da hierfür Langzeitstudien mit höherem finanziellen Aufwand nötig sind. Bisher wurden nur wenige Substanzen ökotoxikologisch untersucht.
Am Beispiel des Wirkstoffs Ethinylöstradiol (EE2), der in hormonellen Verhütungsmitteln eingesetzt wird und in Gewässern zu einer Verweiblichung von männlichen Fischen beiträgt, wird jedoch sehr deutlich, dass auch von geringen Konzentrationen – also wenigen Nanogramm pro Liter – Gefahren ausgehen, deren zukünftige Effekte jetzt noch nicht abzuschätzen sind. Darüber hinaus sind Tiere und Pflanzen in aller Regel mehreren Arzneimittelwirkstoffen über lange Zeiträume ausgesetzt – sogenannte „Cocktaileffekte“ erschweren die Gefahrenabschätzung. Wirkungen können sich addieren. Der Einfluss von zahlreichen Abbauprodukten im Körper, in den Kläranlagen und Gewässern ist nicht geklärt.
Aus diesem Grund: Um den Wasserkreislauf nicht zu belasten, dürfen Medikamente auf keinen Fall in Toiletten oder Waschbecken entsorgt werden! Behälter mit Arzneimittelresten nicht ausspülen!
Richtige Entsorgung von Medikamenten
Schadstoffmobile, Problemstoffsammelstellen, Hausmüll oder Rückgabe bei Apotheken – Die Empfehlungen für die richtige, sachgemäße Entsorgung von Altarzneimitteln und Medikamentenresten gehen auseinander und sind je nach Bundesland, Kommune oder Entsorgungsbetrieb unterschiedlich.
Grundsätzlich zählen Altarzneimittel zu Siedlungsabfällen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) empfiehlt daher – insofern der Beipackzettel keine andere Entsorgung vorgibt – die Medikamentenreste in den normalen Hausmüll zu geben. Siedlungsabfälle kommen direkt in Verbrennungsanlagen oder werden mechanisch-biologisch vorbehandelt. Dies zerstört die einzelnen Bestandteile bzw. macht diese inaktiv. Noch enthaltene Reste stellen keine Gefahr für das Grundwasser dar. Deponien verfügen über Abdichtungssysteme und erfassen mögliches Sickerwasser.
Schadstoffmobile sind ebenfalls eine kostenfreie und sichere Alternative, um Abfälle, die unsere Umwelt belasten, problemlos zu entsorgen. Kommunen und Gemeinden informieren auf ihren Webseiten über entsprechende Standorte und Abholtermine. Einige Apotheken bieten darüber hinaus eine Rücknahme von Altarzneimitteln an. Dies erfolgt jedoch freiwillig und nicht überall. Rechtlich sind sie nicht zu einer Rücknahme verpflichtet.
Abfallbeauftragte von medizinischen Einrichtungen informieren sich über spezielle Entsorgungsangebote bei ihren Entsorgungsfachbetrieben.
Quellen
- BMBF-Forschungsprojekt START: Strategien zum Umgang mit Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser
- DVGW-Information: Arzneimittelrückstände im Wasserkreislauf. Eine Bewertung aus Sicht der Trinkwasserversorgung, WASSER Nr. 54, April 2015
- Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (1.200 Wirkstoffe umweltrelevant)
- Umweltbundesamt (u.a. 1.200 Wirkstoffe umweltrelevant)
- Den Spurenstoffen auf der Spur (DSADS)
- Bundesministerium für Bildung und Forschung: Arzneimittel-Entsorgung richtig gemacht
- Bundesministerium für Gesundheit: Wie sollten nicht mehr benötigte oder abgelaufene Arzneimittelentsorgt werden?
- Pharmazeutische Zeitung: Arzneimittelrückstände – Wie belastet ist unser Wasser?
- BMBF-Forschungsprojekt START: Welche Gefahren bestehen für die Umwelt?
- Umweltbundesamt: Arzneimittel und Umwelt